Ein Tag im Maerz
hindeutete, dass er gerade noch ein Bild in den Laderaum des Lieferwagens hob.
Sara stieß angehaltene Luft aus und achtete darauf, mucksmäuschenstill zu sein.
»Pass auf, ich bin bloß jung und blöd, ich freue mich für dich, Tom«, sagte die andere Stimme, als hätte ihr Besitzer endlich gemerkt, dass seine Fragen ein wenig die Grenzen des Anstands überschritten.
»Gut, sind wir dann so weit?«, fragte Tom, noch immer ein wenig scharf.
»Ja, Kumpel, alles ist drin.«
Tom ging zur Rückseite der Galerie zurück. Mit dem dicht behaarten Unterarm wischte er sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn. Seine Jeans hing auf ein Paar Turnschuhe von Converse herunter, und als er die obersten Knöpfe seines grünen Karohemds öffnete, kamen die Haare auf seiner Brust zum Vorschein.
Die weißen Wände waren fast im gleichen Zustand wie vor seiner Ausstellung, nur hier und da waren eine Schramme oder Reste von Klebeband und Spuren von Nägeln, die sie hatten einschlagen müssen. Drähte baumelten von der Decke, wo seine Gemälde in Glasrahmen mitten im Raum gehangen hatten.
Vor der Galerie kündigte ein Banner mit raffinierter Formulierung in einem hübschen Zeichensatz eine neue Ausstellung an. Ein neuer Künstler. Ein besserer vielleicht … Und schon bald wäre dieser neue Künstler oder die neue Künstlerin an seiner oder ihrer Vernissage hier, hofierte in brandneuen ordentlichen Klamotten die Presse, im Gesicht ein Megawattlächeln voll aufgeregter Hoffnung.
Tom hingegen saß wieder in der Klemme.
Für seine Karriere hatte die Ausstellung einen gewaltigen Anschub bedeutet, der jedoch schnell wieder vorbei gewesen war. Die meisten Besprechungen hatten sich begeistert über seine Arbeiten geäußert, aber nur enttäuschend wenige Galeristen hatten angerufen, um seine Werke in Kommission zu nehmen oder ausstellen zu wollen. Die Angebote, die man ihm gemacht hatte, waren nicht gerade überwältigend ausgefallen. Er hatte sich höflich bedankt, aber alle auf Armeslänge Abstand gehalten für den Fall, dass sich noch etwas Besseres bot …
»Ich fasse es nicht, es ist vorbei«, murmelte er vor sich hin. Er spürte die Hitze der körperlichen Anstrengung, die ihm weiter ins Gesicht stieg, obwohl er eine Weile ruhig dagestanden hatte. Ihm kam es vor, als läge es erst fünf Minuten zurück, dass der ganze Saal vor Energie gesummt hatte, ständig Blitzlichtaufnahmen gemacht wurden und Tabletts mit Kanapees zwischen elegant gekleideten Journalisten umhergetragen wurden.
Eine leichte Panikwelle spülte über ihn hinweg, als er überlegte, was zum Teufel er als Nächstes tun sollte. Er musste seine nächste Ausstellung vorbereiten. Ein neues Konzept, etwas Wegweisendes. Er hatte vage Pläne für einige wirklich ungewöhnliche Installationen – Multimedia-Features, die seine Werke ergänzten, und diesmal etwas, das die Kritiker schockierte … Eine künstlerische Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen vielleicht? Etwas, das in aller Munde wäre. Er wusste nur noch nicht, was sein Thema sein sollte. Er blinzelte, als das grelle Weiß der kahlen Wände ihm in die Augen stach. Er fühlte sich ein wenig überwältigt. Die Weiße schien sich zu vervielfachen und zu erhellen, bis in seinem Blickfeld Hunderte weißer Punkte tanzten, wie Pixel. Er schloss schließlich die Augen und ließ sich von der Dunkelheit beruhigen.
Ihm war klar, dass er sich zu viele Sorgen machte. Am Ende würde es sich alles ergeben. Das war die Natur des Geschäfts, und er fühlte sich ganz bestimmt nicht zum ersten Mal so wie jetzt. Er war sich sicher, dass es nicht das letzte Mal wäre.
Seine nächste Ausstellung brauchte Biss. Sie musste spektakulär werden.
Während er, beide Händen in die Hüften gestemmt, aus dem Fenster starrte, bemerkte er eine weibliche Gestalt, die auf der anderen Straßenseite vorbeieilte und genauso aussah wie seine Frau.
10
»In dieser Branche wird viel getratscht.«
Samstag, 14. März 2009
Ealing, West-London
19 Uhr
Es war schwarz wie der Tod. Von der Farbe eines Tintenfasses in einer viktorianischen Schule, von der dunkelsten einsamen Ecke in einem Theater, dem Innern einer Gruft. Ein Farbton, so glänzend in seiner Schwärze, dass er die Leuchtstoffröhre des Badezimmers reflektierte wie ein Spiegel.
Das ganze Bad triefte von dem Zeug, es lief über das glatte weiße Porzellan und befleckte es mit zähem Schleim, der an ausgetretenes Altöl erinnerte. Dämpfe, die einem das Wasser in
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