Ein Tag im Maerz
Leuten auszuweichen, die sie wegen ihrer verschwommenen Sicht kaum sehen konnte, stapfte sie ins White Rope.
Simon stand an der Bar und schüttelte ein Kartenlesegerät, als wäre es eines dieser Labyrinthspiele mit Stahlkugeln oder ein Nintendo DS bei einem besonders kniffligen Videogame.
Sara schaltete automatisch in ihren Arbeitsmodus und trat lächelnd auf ihn zu. »Du hältst Hoch gedrückt und drückst B, dann hältst du Runter gedrückt und drückst A. So, mein Freund, besiegst du das große böse Monster«, flüsterte Sara ihm ins Ohr. Er zuckte zusammen.
»Himmel! Hast du mir einen Schreck eingejagt! Hier, schau mal, das Gerät will die Karte nicht nehmen.« Er zog eine silberne Visa-Karte und blies darauf wie auf ein heißes Getränk. Ein langer Streifen aus dünnem weißen Papier ringelte sich aus dem oberen Ende des Lesegeräts. Darauf stand »Vorgang abgebrochen«. Simon hatte bereits den dritten Versuch unternommen, und die Ablehnung der Karte ließ sich nicht mehr mit einer Verbindungsstörung erklären. Die Karte befand sich auch in ausgezeichnetem Zustand und konnte nicht defekt sein. »Sag mal, alles okay mit dir? Du siehst aus, als hättest du –«, begann er, doch Sara schnitt ihm das Wort ab.
»Sagst du es ihnen, oder soll ich es selbst tun?«, fragte Sara, dann marschierte sie davon, ohne Simon eine Gelegenheit zu geben, ihr Angebot anzunehmen. Ihre Schuhe glitten beinahe über den blitzblanken Marmorfußboden. Sie liebte, wie sich das anfühlte.
Simon seufzte laut und schlenderte davon. Bald stand er vorgebeugt neben dem Gast und sprach leise, aber ernst mit ihm.
Sara betrachtete den Mann. Er führte eine umwerfend schöne junge Frau aus, deren Beine länger waren als der 15-Uhr-13-Zug von London Bridge nach Brighton. Je länger Simon sprach, desto röter lief er an, und er begann in seiner Brieftasche nach anderen Karten zu kramen. Seine Begleiterin wirkte peinlich berührt.
Die Schicht verging langsam. Tom rief im Restaurant an, doch Sara wies ihre Angestellten an, ihm zu sagen, sie sei beschäftigt. Dafür erntete sie mehrere hochgezogene Augenbrauen. Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Der Zerfall ihrer Ehe durfte sich nicht auf ihre Karriere auswirken. Jetzt war nicht der richtige Moment, um darüber nachzudenken. Doch während des ganzen Abends kam ihr ständig das Wort Scheidung in den Sinn. Sie versuchte sich zu konzentrieren, aber wie ein Kopfschmerz kam es immer wieder. Sie dachte an die vielen kitschigen Geschichten zu diesem Thema aus den Frauenzeitschriften.Sie hätte nie gedacht, dass sie einmal in die gleiche Lage geraten könnte.
Als am späten Abend die Bestellungen abflauten, kam Carlos, der Chefkoch des Restaurants, aus der Küche. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Gäste schauten herüber und fragten sich, was den Koch zwischen die Kerzen und das Silberbesteck gelockt haben mochte. Auf seiner Schürze waren Blutspritzer von der Zubereitung der Steaks nach Art des Hauses.
»Carlos, was machst du denn hier?«, rief Sara und schob ihn zurück Richtung Küche. Für sie war es, als wäre das Geheimnis eines beneidenswerten Zauberkunststücks aufgedeckt und alles verdorben worden.
»Hör zu, Sara, es ist dein Mann, er ist da draußen und –«
»Was?«
»Tom ist da draußen, Sara! Er ist zur Küchentür hereingekommen und will dich sprechen. Er hat ewig geklopft, aber wir haben nicht drauf geachtet, weil wir zu viel zu tun hatten.« Er ging rückwärts, während sie ihm die Hände vor seine schwabblige Brust drückte und ihn um die Ecke schob. »Was ist denn los mit euch beiden? Wieso nimmst du seine Anrufe nicht entgegen? Du bist verheiratet, um Himmels willen. In Spanien, Sara, in Spanien gibt es so etwas nicht in einer Ehe, bei uns kommt die Fam…«
»Halt den Mund, Carlos. Bitte halt den Mund«, sagte Sara. Sie war außer Atem von der Anstrengung, ihn zurück in die Küche zu schieben, und begann selbst zu schwitzen.
»Na gut, na gut, wie du willst«, erwiderte er, klatschte in die Hände und stürmte zurück in die Küche, als hätte er sie aufgegeben. Hinter sich ließ er einen feinen Nebel aus Mehlstaub zurück.
Sara atmete einmal tief durch, presste die Lippen zusammen und folgte ihm in die Küche. Ich werde es Tom nicht verzeihen, schwor sie sich; sie würde nicht zulassen, dass er sich wieder inihr Herz zurückwand. Sie würde seine Lügen nicht akzeptieren. Sie hatte zu viel über Ehebrecher gehört und wie manipulativ sie sein konnten. Sie
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