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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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überwinden. Sie musste sich den Segen der Unwissenheit bewahren.
    Eine Journalistin hatte sie nur eine Woche nach Max’ Tod aufgesucht, und Bryony war sofort von entsetzlicher Furcht überfallen worden, sie könnte den Mörder erwähnen.
    Die Journalistin war ein junges, schüchternes kleines Ding, die Bryony viel zu unerfahren erschien, als dass sie solch ein Thema bearbeiten konnte. Ihre magere Gestalt verschwand beinahe in dem schlecht sitzenden Kostüm, und ihre Augen hatten einen unschuldigen Glanz, als hätte sie sich im Leben noch mit nichts Schlimmerem herumschlagen müssen als einer verspäteten Rate für ihr Studiendarlehen.
    Als Bryony den Türöffner drückte und die Journalistin die Treppe zu ihrer Wohnung hochkam, fragte sie sich, ob sie das Richtige tat, wenn sie mit einer Fremden über Max sprach. Wenn sie sein Andenken mit der Öffentlichkeit teilte, in einer Zeitung, in die bald Fish and Chips für die torkelnden Betrunkenen in der Stadt verpackt wurden oder die unter dem Arm eines fremden Mannes aufweichte, während er im Regen zur U-Bahn-Station eilte.
    Als Bryony die Tür öffnete, bemerkte sie, dass die Journalistin ein wenig zitterte   – eine Reaktion, die seit jener Nacht viele Menschen zeigten, wenn sie ihr begegneten. Bebende Finger, feuchte Augen; unbehagliches Schweigen und leere Entschuldigungen für etwas, mit dem sie nichts zu tun hatten.
    Die Journalistin hatte kurzes blondes Haar, zu einem pfiffigen Bubikopf geschnitten, der einen langen, anmutigen Hals betonte. Und natürlich trug sie ein schwarzes Kostüm. Schon wieder ein beschissenes schwarzes Kostüm, dachte Bryony, während sie sie mit roten Augen von oben bis unten musterte. Sie sehnte sich nach Farben und Wärme; sie hatte Besucher in Kostümen satt. Ein Pizzabote, als Bibo verkleidet, wäre ihr lieber gewesen.
    »Hallo, Bryony. Ihr Verlust tut mir sehr leid«, begrüßte die Journalistin sie. Blablabla, dachte Bryony. Genau wie alle anderen   … Sie starrte der Reporterin in die Augen und beneidete mit einem Mal dieses junge Mädchen, das eine so glänzende Zukunft vor sich hatte. Ein Mädchen, das wahrscheinlich eines Tages den Mann heiraten würde, den sie liebte, und ihn nicht verlor wie Bryony.
    »Ich habe gehört, was Ihrem Mann zugestoßen ist. Entsetzlich.«
    »Meinem Freund.«
    »Oh, entschuldigen Sie. Ihrem Freund.« Sie notierte es sich. »Ich bin Kate Walsh, Reporterin bei der Lokalzeitung. Wir dachten uns, dass Sie es vielleicht schön finden würden, wenn wir einen Artikel drucken, in dem wir Max und sein Leben würdigen.« Sie blinzelte viel und machte den Eindruck, als würde sie am liebsten davonrennen, so schnell sie konnte. Das Notizbuch in ihrer Hand zitterte ebenfalls.
    Bryonys Puls schien sich zu verlangsamen, kaum dass sie sich den Artikel vorstellte. Ein Bild von Max’ schönem Gesicht, dassie von der Seite anstarrte, hier und da ein Zitat, größer und fetter gesetzt, um den Text aufzubrechen.
    »Äh, okay, es könnte sein, dass es mir schwerfällt, über   … ihn zu sprechen   … vielleicht   … fange ich an zu weinen«, warnte sie Kate aufrichtig. Ihre Empfindungen schwankten von blankem Schmerz zu völliger Taubheit; zwischen beiden Extremen kippte ihre Gemütslage täglich, wenn nicht stündlich, hin und her. Die Journalistin hatte im Grunde genommen Glück, dass sie in einem Moment geklingelt hatte, in dem Bryony in der richtigen seelischen Verfassung war, um sich auf sie einzulassen.
    »Aber das ist okay. Mich stört es nicht, wenn Sie weinen.« Die Reporterin straffte sich ein wenig und vermittelte Bryony den Eindruck, dass sie mit der Situation vielleicht doch klarkommen könnte.
    »Okay   … also, kommen Sie herein, Kate«, sagte Bryony und trat zur Seite. Die Journalistin trat zaghaft in den Wohnungsflur. Sie musste einen großen Haufen ungeöffnete Post umgehen. Eine Fremde in der Wohnung zu haben erinnerte Bryony daran, wie sehr sie der Welt draußen hinterherhinkte.
    Auf dem Couchtisch lag eine große Tüte Kartoffelchips, neben einer Auswahl von Dips, aber Bryony hatte davon nichts angerührt. Ihre Mutter hatte sie ihr dagelassen in der Hoffnung, dass sie vielleicht etwas essen konnte. Jetzt erst kam Bryony der Gedanke, dass die Dips nun schon mehrere Tage im Wohnzimmer gestanden hatten und immer widerlicher geworden waren, während sie sich Punkmusik bei zweitgrößter bis größter Lautstärke anhörte und die Zehennägel schwarz lackierte. Mittlerweile füllte der

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