Ein Tag im Maerz
verübelte, sich nicht an ihrer Tür gezeigt und ihr irgendwelche Unterstützung angeboten zu haben.
In Maggies Schrittrhythmus tanzte der Hut energisch auf und ab und verriet so eine Menge über das Gebaren seiner Trägerin. Maggie besaß offenbar grenzenlose Energie. Arm in Arm hatten sie jahrelang miteinander im Kirchenchor gesungen.
Tynice erstarrte zur Salzsäule. Sie musste sich umdrehen und in die andere Richtung gehen; sie musste verschwinden! Sie fuhr herum und entfernte sich in die andere Richtung, aber ein lauter Ruf ließ sie mitten im Schritt innehalten.
»Tynice! Tynice, bist du das?«, rief Maggie, die den Kopf jetzt hob und senkte, die Augen zusammenkniff, um besser durch die kleine Menschenmenge zu blicken, die an einer Bushaltestelle herumwimmelte.
Tynice drehte sich langsam um. Sie wusste nicht, wie ihr geschah.
Maggie verfiel in einen leichten Trab. Ihr hellrosa Rock flog hinter ihr her, der Stoff ihrer Jacke flatterte. Ihr Gesichtsausdruck war fröhlich, vermischt mit ernster Besorgnis. Zum Glück ist sie allein, dachte Tynice; sie hätte es nicht ertragen können, auch den anderen Kirchenschwestern zu begegnen. Die anderen, die sie, wie sie fand, so übel im Stich gelassen hatten.
Maggie drängte sich zwischen den Menschen hindurch und eilte auf Tynice zu, packte sie an den Oberarmen und zog sie eng an ihre breite und recht füllige Brust, sodass es kein Entkommen gab. Tynice drehte den Kopf weg und starrte auf die Straße.
»Ach, Ty, du machst dir keine Vorstellung, wie ich mich freue, dich zu sehen!« Maggies breites Lächeln war ganz dicker roter Lippenstift, während ihre Augen dennoch vor Betrübnis und Sorge flackerten.
Tynice wandte sich ihr zu, und ihr rollten die Tränen die Wangen hinunter.
»Warum bist du nicht zu uns gekommen, Ty? Wir haben dich so vermisst – wir möchten dich bei uns haben.« Maggie schüttelte ihre Arme ein wenig, wie um sie von dem Gesagten zu überzeugen.
Einerseits wäre Tynice am liebsten in ihren Armen versunken, hätte Vergangenes ruhen gelassen und geglaubt, was sieglauben wollte, doch in ihrer Brust wogte der Zorn. Sie hatte begreifen müssen, wie wenig die Wertvorstellungen des Glaubens ihren Kirchenschwestern bedeuteten, die einfach untergetaucht waren – und auch ihr, denn sie hatte ihren Sohn allein gelassen, als er sie am dringendsten brauchte.
»Du weißt doch, wo ich wohne, oder?«, erwiderte Tynice, und ihre Stimme zitterte vor Zorn.
Maggie blickte zu Boden und biss sich auf die Unterlippe. »Nun, ja, natürlich weiß ich, wo du wohnst«, sagte sie still.
Tynice starrte auf die weiche Haut an Maggies Lidern und begann am ganzen Körper zu zittern vor Zorn. »Nun, wo zum Teufel bist du dann gewesen?«, schrie sie, riss sich aus den starken Händen der Anderen los und stürmte davon.
24
Wicked Game.
Samstag, 30. Mai 2009
Screen of the Green, Angel, Nord-London
20 Uhr
»Warum trägst du denn eine Sonnenbrille im Kino, Bryony? Das sieht ziemlich bescheuert aus«, sagte Adam, lachte und schnippte ihr ein Popcorn ins Gesicht.
Es flog durch die Luft, traf den Rand ihrer Ray-Ban Wayfarers, prallte ab und landete auf dem kratzigen Teppich des alten Kinos.
»Ich mach das, was ich will, herzlichen Dank«, erwiderte Bryony, ohne den Blick von der Leinwand zu nehmen, auf der gerade der Trailer für einen neuen Pixar-Film zu sehen war.
Im Kinosaal waren nur ungefähr zwanzig weitere Zuschauer. Wie schläfrige Katzen hingen sie auf den großen, abgewetzten Sitzen, die Füße auf den Kopfstützen der Plätze vor ihnen. An der Bar hinter ihnen klirrten leise Gläser, und sie hörten gedämpfte Gespräche und verhaltenes Gelächter.
»Nein, im Ernst, Bryony, es ist komisch. Warum machst du das? Überall trägst du das verdammte Ding«, sagte Adam. Er setzte sich gerade und quietschte in seiner nachgemachten Frauenstimme, während er mit der rechten Hand durch die Luft vor sich schlug. »Hallo. Ich bin Bryony. Ich bin berühmt und viel zu cool, um alles sehen zu wollen«, quäkte er, und Bryony lachte.
»Hör auf!«, kiekste sie und sah ihn durch die dunklen Gläser an. Da war ein halbes Lächeln auf ihrem Gesicht, das ihr langsam, wie mit einem unsichtbaren Faden, den Mundwinkel hochzog.
Adam versuchte ihr die Sonnenbrille von der Nase zu klauen, aber Bryony schlug ihm sanft auf den Arm, setzte sie wieder auf und richtete den Blick zurück auf die Leinwand.
»Na schön. Wie du willst. Dann bist du eben komisch«, sagte Adam und
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