Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Tag ohne Zufall

Ein Tag ohne Zufall

Titel: Ein Tag ohne Zufall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearson Mary E.
Vom Netzwerk:
die verstaubten Tasten eines alten Klaviers gleich hinter der Tür.
    Babs eilt wieder hinter den Tresen und kramt dort herum. Wir dürfen ihre Schatzhöhle erforschen. Es scheint sie nicht weiter zu stören, dass wir ein Schaf dabeihaben, vielleicht hat sie es auch nicht gesehen. Wenn überall angriffslustige Pfauen herumstolzieren, fällt so ein kleines Kuschelschäfchen womöglich gar nicht auf. Oder Babs sieht nur, was sie sehen will. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das sehr nützlich sein kann.
    Auch der Ladenraum ist kunterbunt ausgemalt, als hätte sich der Anstreicher hier drinnen erst richtig austoben dürfen. Die Dielen sind glänzend ultramarinblau lackiert, alle übrigen Holzelemente, vom Fensterrahmen bis zur Treppe, leuchten in den verschiedensten Abstufungen von Gelb, Grün, Pink und Lila. Dadurch macht der eigentlich heruntergekommene Ladenraum, der bestimmt etliche Vorbesitzer gehabt hat, einen fröhlichen Eindruck. Pfauenfedern schmücken die Wände, quellen aus Körben und zieren etliche Gegenstände, zum Beispiel Lampenschirme. Kein Wunder, dass der federlose Pete so ein reizbarer Bursche ist.
    »Kleidung ist hinten.« Mira schiebt sich in einen schmalen Gang und zieht den widerstrebenden Aidan hinter sich her. Sie wird immer mutiger. Vor unserem Ausflug habe ich noch nie gesehen, dass sie ihn irgendwie angefasst hätte, und seine Hand hat sie schon gar nicht genommen. Mindestens für Mira läuft heute alles, wie es sein soll. Und der sonst so zurückhaltende, abweisende Aidan scheint bei Mira eine Ausnahme zu machen. Allmählich bin ich nicht mehr so sicher, wer hier das Hündchen und wer das Leckerli ist.
    Seth, der immer noch Lucky unterm Arm hat, grinst. »Nach dir«, sagt er und lässt mich vorgehen. Ich spüre ihn hinter mir wie einen Schatten. Er bleibt stehen, wenn ich stehen bleibe, um eine saitenlose Ukulele zu betrachten, streift meinen Rücken, kann wieder mal nicht Abstand halten. Ich spüre die Wärme, die er verströmt, und plötzlich wird mir selber ganz warm, als wäre der Laden völlig überheizt. Wieder bleibe ich stehen, um ein rissiges Ochsengeschirr anzuschauen, und er fragt über meine Schulter: »Na, ist das deine Größe?«
    Ich mache einen Schritt zurück, als wollte ich das Ochsengeschirr mit Abstand betrachten, und trete ihm dabei kräftig auf den Fuß. Anders lernt er es ja nicht. »Au!«, entfährt es ihm.
    »Glaub nicht«, sage ich unschuldig, »aber dir könnte es passen.« Ich gehe weiter, aber er bleibt trotzdem dicht hinter mir. Als das nächste Mal seine Schulter meine berührt, gebe ich meinen Widerstand auf. Es gibt Schlimmeres. Ich bleibe vor einer alten Garderobe stehen und Seth lehnt sich von hinten gegen mich und keiner von uns beiden sagt etwas und wir bleiben so stehen, bis Mira ruft: »Hey, guckt mal hier!«
    Wir gehen weiter zu den Kleiderstangen, wo Mira steht und einen grauen Rock in die Höhe hält. »Ich glaub, ich spinne! So einen wollte ich immer schon haben!« Sie dreht den Rock hin und her. Auf der Vorderseite ist ein wuschliger weißer Pudel aufgedruckt. »Er kostet nur drei Dollar«, raunt sie uns zu. »Wahnsinn!«
    Ich lächle sie an und wedle mit dem Hundertdollarschein, den ich aus dem Handschuhfach genommen habe. »Kauf ihn dir.« Sie stößt einen Freudenschrei aus, dreht sich wieder nach der Kleiderstange um und wühlt nach einer Bluse.
    »
Das
ist mir an dir aufgefallen«, flüstert mir Seth ins Ohr.
    Ich kapiere gar nichts. »Was denn?«
    Er tritt noch näher, die anderen sollen nichts hören. »Wie du lächelst. Aber du gehst ziemlich sparsam damit um. Ich war schon zwei Wochen in Hedgebrook, da habe ich zum ersten Mal gesehen, dass du lächelst. Warum machst du das nicht öfter? Du hast ein … sehr nettes Lächeln.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mir fällt nur »Aha« ein.
    »Komm«, sagt Seth. »Wir suchen uns auch was aus, sonst schnappen uns Mira und Aidan die besten Sachen weg.«
    Ich nicke. Ich lächle sogar. Als kleine Entschädigung für jemanden, der nicht gleich einen Aufstand macht, wenn man ihm auf den Fuß tritt.

17
    »Macht vierundzwanzig Dollar«, sagt Babs.
    Wir bewundern uns gegenseitig, während Babs unsere Schuluniformen in eine Tüte packt. Mira trägt einen roten Pulli zum Pudelrock, Aidan hat ein blaues Hemd mit Perlmuttdruckknöpfen gefunden. Mira redet ihn nur noch mit »He, Cowboy« an, und er nickt ihr zu, als hätte er einen unsichtbaren Cowboyhut auf dem Kopf. Wenn ich die beiden

Weitere Kostenlose Bücher