Ein Tag wie ein Leben
nahm ihre Hand zwischen meine Hände. »Nein«, sagte ich und
schaute ihr dabei fest in die Augen. »Ich habe keine Affäre, Jane. Ich
habe noch nie eine Affäre gehabt, und ich werde auch nie eine haben.
Ich habe nie auch nur den Wunsch verspürt.«
Sie musterte mich noch einmal prüfend, dann nickte sie und sagte:
»Okay.«
»Ich meine es ernst.«
Sie lächelte. »Ich glaube dir. Ich habe es eigentlich auch nicht geglaubt, aber ich musste dich einfach fragen.«
»Aber - wie kommst du überhaupt auf die Idee?«
»Na, deinetwegen«, sagte sie, »so wie du dich verhältst…«
»Das verstehe ich nicht.«
»Versuch doch einmal, dich in mich hineinzuversetzen und dein
Verhalten aus meiner Perspektive zu sehen. Zuerst fängst du an,
Sport zu treiben und abzunehmen. Plötzlich kochst du für uns und
erkundigst dich, wie mein Tag war. Und als würde das nicht schon
genügen, bist du die ganze Woche über unglaublich hilfsbereit… bei
allem, was anfällt. Und jetzt fängst du auch noch an, nette Sachen zu
sagen, was völlig untypisch für dich ist. Anfangs habe ich gedacht,
das ist nur eine Phase, dann vermutete ich, es hätte etwas mit der
Hochzeit zu tun. Aber jetzt - irgendwie habe ich das Gefühl, du bist
ein anderer Mensch geworden. Ich meine - du entschuldigst dich
dafür, dass du nicht oft genug hier warst! Du machst mir ohne jeden
Anlass eine Liebeserklärung! Du hörst mir zu, wenn ich stundenlang
von meinen Einkäufen berichte. Komm, wir bestellen Pizza… Ich
finde das alles ganz wunderbar, aber ich wollte mich nur versichern,
dass du es nicht tust, weil du wegen irgendetwas ein schlechtes Gewissen hast. Aber wenn du keine Affäre hast, begreife ich immer
noch nicht, was in dich gefahren ist.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe kein schlechtes Gewissen, glaub
mir. Das heißt, höchstens, weil ich immer so viel arbeite. Das finde
ich nicht gut. Aber mein Verhalten sonst - ich möchte nur…«
Ich verstummte. Jane schmiegte sich zärtlich an mich.
»Was möchtest du nur?«, hakte sie nach.
»Was ich neulich abends schon gesagt habe. Ich war kein besonders
guter Ehemann, finde ich, und - ach, ich weiß auch nicht - ich will
einfach versuchen, mich zu bessern.«
»Warum?«
Weil ich möchte, dass du mich wieder liebst, dachte ich, aber diese
Worte behielt ich für mich.
Ich schwieg lange, dann sagte ich: »Du und die Kinder, ihr seid für
mich die wichtigsten Menschen auf der Welt. Das wart ihr schon
immer, und ich habe sehr viel Zeit vergeudet, weil ich mich jahrelang
so verhielt, als wäre es nicht so. Ich weiß, die Vergangenheit kann
ich nicht ungeschehen machen, aber vielleicht kann ich die Zukunft
beeinflussen. Ich kann mich ändern. Und das will ich auch.«
Jane betrachtete mich mit zusammengekniffenen Augen. »Soll das
heißen, dass du nicht mehr so viel arbeiten willst?«
Ihr Tonfall war sehr lieb, aber skeptisch. Das tat mir innerlich weh.
War ich wirklich solch ein Arbeitsroboter geworden?
»Wenn du mich bitten würdest, in den Ruhestand zu gehen, würde
ich das sofort tun.«
Wieder sah ich diesen verführerischen Glanz in ihren Augen.
»Siehst du, was ich meine? Du bist in letzter Zeit gar nicht du
selbst!«
Sie meinte das zwar scherzhaft, und ich vermute, sie war sich nicht
sicher, ob sie mir Glauben schenken sollte, aber der Gedanke gefiel
ihr, so viel stand fest.
»Darf ich dich jetzt etwas fragen?«, sagte ich.
»Warum nicht?«
»Anna ist morgen Abend bei Keiths Eltern, und Leslie und Joseph
kommen erst am Freitag - also habe ich gedacht, wir zwei könnten
am Abend einmal etwas Besonderes unternehmen.«
»Woran dachtest du denn?«
»Wie wär’s… wenn ich mir etwas ausdenke und du dich überraschen lässt?«
Jane lächelte fast mädchenhaft. »Ich liebe Überraschungen, das
weißt du doch.«
»Ja, das weiß ich.«
»Ich finde deinen Vorschlag wundervoll«, sagte sie mit unverhüllter Vorfreude.
K
APITEL 14
Am Donnerstagmorgen fuhr ich schon früh zu Noahs Haus, mit voll
gepacktem Kofferraum. Wie schon am Tag zuvor wimmelte es wieder von Fahrzeugen. Mein Freund Nathan Little winkte mir von weitem zu und gab mir zu verstehen, er werde gleich bei mir sein.
Ich parkte im Schatten und machte mich sofort an die Arbeit. Mithilfe der Leiter entfernte ich die letzten Bretter von den Fenstern,
damit der Mann mit dem Druckstrahlreiniger ungehindert weiterarbeiten konnte.
Die Bretter lagerte ich im Keller. Ich schloss gerade die Tür ab, als
ein Putztrupp von fünf
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