Ein Tag wie ein Leben
die ich vor einem Jahr angetreten hatte?
Nun, da Haus und Garten endlich menschenleer waren, machte ich
zum Abschied noch einen letzten Rundgang. Dann fuhr ich los. Auf
dem Heimweg musste ich ein paar Kleinigkeiten besorgen, die ich
für den Abend brauchte, und als ich nach Hause kam, war es bereits
fünf Uhr. Schnell räumte ich alles weg und ging unter die Dusche,
um den Schweiß und Schmutz des Tages abzuwaschen.
Viel Zeit blieb mir nicht. Zum Glück hatte ich mir im Büro eine
Liste gemacht und genau notiert, in welcher Reihenfolge ich vorgehen musste. Seit Monaten hatte ich an der Gestaltung dieses Abends
gefeilt, jeder Schritt war exakt durchdacht. Ich hatte Anna gebeten,
mich anzurufen, sobald Jane sie zu Hause abgesetzt hatte, damit ich
mir ausrechnen konnte, wann sie hier eintreffen würde. Das Telefon
klingelte, Anna war am Apparat - nun hatte ich noch eine Viertelstunde. Im Haus war alles in Ordnung, bestätigte mir ein letzter prüfender Blick. Ein wichtiges Detail kam ganz zum Schluss: An die
verschlossene Eingangstür heftete ich einen Zettel, den Jane unmöglich übersehen konnte:
Willkommen zu Hause, mein Schatz. Die Überraschung wartet
drinnen auf dich…
Dann stieg ich ins Auto und fuhr los.
K
APITEL 15
Fast drei Stunden später wartete ich in Noahs Haus. Ich spähte aus
dem Fenster und sah die Scheinwerfer eines Wagens, der sich langsam näherte. Ein Blick auf die Uhr bestätigte es mir - ja, pünktlich
auf die Minute.
Ich knöpfte mein Jackett zu. Wie mochte sich Jane wohl fühlen?
Ich war zwar nicht dabei gewesen, als sie unser Haus betrat, aber ich
versuchte, mir die Szene auszumalen. Hatte sie sich gewundert, dass
mein Wagen nicht in der Einfahrt stand? Bestimmt war ihr aufgefallen, dass ich die Vorhänge zugezogen hatte - vielleicht war sie kurz
im Auto sitzen geblieben, erstaunt und sogar ein bisschen verwirrt…
Sie musste zuerst das Auto ausladen und hatte bestimmt beide Hände voll, als sie die Tür aufschloss. Selbst wenn sie ihr Kleid für die
Hochzeit noch nicht abgeholt haben sollte - den Karton mit den neuen Schuhen hatte sie dabei, denn Anna hatte kurz erwähnt, dass sie
am Vormittag sehr schöne Schuhe gekauft hatte. Meinen Zettel
konnte sie auf keinen Fall übersehen.
Aber wie würde sie auf meine Worte reagieren? Da war ich mir eher unsicher. Vielleicht ein verdutztes Lächeln? Dass ich nicht zu
Hause war, fand sie sicher merkwürdig.
Was dachte sie, als sie die Tür aufschloss und in das dunkle Wohnzimmer trat, das nur von warmem Kerzenlicht erhellt war? Gefiel ihr
die geheimnisvoll melodiöse Stimme von Billie Holiday, die leise
aus dem CD-Spieler erklang? Wie lange dauerte es, bis sie die Rosenblätter auf dem Fußboden entdeckte, die vom Wohnzimmer die
Treppe hinaufführten? Und den zweiten Brief, den ich an den Treppenpfosten geklebt hatte?
Liebste, dieser Abend gehört dir. Aber ehe du ans Ziel gelangst,
musst du mehrere Aufgaben erfüllen. Stell es dir vor wie ein Spiel
oder wie ein Theaterstück, in dem du eine Rolle spielst. Ich werde dir
Anweisungen geben, und du musst genau das tun, worum ich dich
bitte.
Die erste Aufgabe ist leicht: Puste bitte die Kerzen im Wohnzimmer
aus und folge den Rosenblättern hinauf ins Schlafzimmer. Dort erwarten dich weitere Anweisungen.
Verschlug es ihr die Sprache? Oder lachte sie ungläubig in sich
hinein? Gleichgültig - so wie ich Jane kannte, machte sie das Spiel
anstandslos mit. Im Schlafzimmer angekommen, platzte sie vermutlich schon vor Neugier.
Auch im Schlafzimmer brannten überall Kerzen, im Hintergrund
spielte dezente Klaviermusik von Chopin. Ein Bouquet mit dreißig
Rosen lag auf dem Bett, rechts und links davon ein hübsches Paket,
jedes mit einem Briefumschlag versehen. Auf dem einen stand »Jetzt
öffnen«, auf dem anderen »Um acht Uhr öffnen«.
Ich stellte mir vor, wie sie zum Bett trat, den Rosenstrauß nahm und
daran roch, den betäubend süßen Geruch der Blüten in sich aufnahm.
Als sie den Umschlag links öffnete, las sie:
Du hattest einen anstrengenden Tag, deshalb dachte ich, du möchtest dich vielleicht ein bisschen entspannen, ehe wir uns heute Abend
sehen. Öffne das Geschenk, das zu dieser Karte gehört, und nimm
den Inhalt mit ins Badezimmer. Dort erwarten dich weitere Anweisungen.
Vielleicht blickte sie über die Schulter und stellte fest, dass auch
das Badezimmer von Kerzen erleuchtet war. In dem Päckchen befanden sich verschiedene Badeöle und
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