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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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überreden, mit ihr nach Amerika durchzubrennen – auch ohne Ausreisevisa. Sie können schwimmen.
Wie viele Teelöffel Wasser
, fragt sie sich,
von dieser Seite der Welt bis zur anderen?
Nachdem einige Minuten später noch immer niemand hereingestürzt kommt, geht Saba zur Tür und späht nach draußen auf den Flur. Ganz hinten sieht sie Khanom Basir in einer Ecke an der Wand lehnen.
    »Versprich es mir«, fleht Rezas Mutter ihren Sohn an, »versprich mir, dass du dich nicht auf sie einlässt.«
    Wie sie da so gebeugt in der Ecke steht, die normalerweise strenge Miene ratlos, sieht Khanom Basir schwach aus, sogar hil f los. Saba weiß nicht, ob sie Mitleid mit ihr haben oder einfach nur traurig sein soll, weil ihre Beziehung zu Reza seiner Mutter so ein Gräuel ist. Saba versucht, Rezas Lippen zu lesen, als er flüstert:
Es war nichts
. Will er seine Mutter beruhigen? Unwillkürlich findet sie das sehr feige von ihm. Aber andererseits war es ja vielleicht wirklich nichts. Vielleicht weiß er einfach nicht, was er machen soll. Er zieht den Kopf seiner Mutter an seine Brust und küsst ihr hennagefärbtes Haar. Dann hilft er ihr, das Kopftuch zurechtzurücken, so wie er vor ein paar Minuten Saba geholfen hat. Saba versucht, seinen Blick aufzufangen, doch er schaut nur einmal kurz auf. Verblüffung liegt in seinen Augen, als hätte ihn eine Schlange aus ihrem Käfig heraus gebissen. Er sieht Saba an, schüttelt den Kopf und formt mit den Lippen die Worte:
Es tut mir leid
, und Saba muss an den Tag denken, an dem er dieselben Worte über den
sofreh
hinweg flüsterte, als sie tanzte und nicht genau verstand, warum er sie sagte. Sie schlüpft wieder zurück in ihr Zimmer.
    »Er streitet es ab«, murmelt sie.
    »Er ist bloß ein Junge«, sagt Khanom Omidi, »jung und durcheinander. Überleg mal, womit er sich rumschlägt. Dieses große, große Bedürfnis, alle zu retten. So sind junge Männer nun mal.«
    Noch mehr
maast-mali
, wo es keine Unschuld gibt.
    Ponneh schnaubt beinahe verbittert – aber vielleicht ist es auch der Schmerz oder die Wirkung von Khanom Omidis Opium. »So durcheinander ist er gar nicht. Männer sind einfach Männer.« Als sie Sabas finsteren Blick bemerkt, fügt sie hinzu: »Du bist zu gut für jemanden, der so schwach ist. Und alle Männer sind schwach.«
    Noch mehr
tarof
, wo es keine Großzügigkeit gibt.
    * * *
    Als Sabas Vater nach Hause kommt, wird ihm die ganze Geschichte aufgetischt. Mullah Ali berichtet. Saba wurde gesehen, wie sie sich mit Reza Basir herumgetrieben hat. Draußen. Ohne ihren Hidschab. Sie wurde in einer höchst kompromittierenden Situation gesehen. Wenn Kasem die beiden nicht gestoppt hätte, wäre es noch viel schlimmer geworden. Khanom Basir schaltet sich ein, ermahnt Agha Hafezi wieder und wieder, dass seine Tochter außer Kontrolle ist und einen Ehemann braucht und dass ihr Sohn Reza dafür nicht infrage kommt. Aber keine Sorge, Agha Hafezi, Ihre wohlmeinenden Gäste haben bereits besprochen, welche Maßnahmen jetzt erforderlich sind. Warum sollten Sie sich um Saba Gedanken machen, wenn sie solche umsichtigen Betreuerinnen hat, die nur ihr Bestes im Sinn haben? Wirklich, machen Sie sich keine Sorgen. Denn Sie sind nicht alleinerziehend. Aber vergessen Sie nicht, dass der Ruf Ihrer Tochter auf dem Spiel steht, und bedenken Sie, welche schlimmen Folgen diese kleine Übertretung haben könnte.
    Saba, die ein Ohr an ihre Zimmertür gedrückt hat und das alles mit anhört, erwägt ein oder zwei Mal, durchs Fenster zu fliehen – denn jetzt diskutieren sie das schlimmste Szenario, die grauenvollste Alternative: Heirat.
Bitte, Gott, schick Kasem mit irgendeinem geistlichen Auftrag nach Maschhad oder Qom
.
    Sie hört, wie Khanom Basir lautstark ihrem Vater erklärt, dass sie sich um Sabas guten Ruf sorgt.
    »Merkt ihr, dass keiner Reza irgendwelche Vorwürfe macht?«, sagt Saba. »Das ist doch wohl ungerecht, oder?«
    »So ist es nun mal«, murmelt Ponneh. Sie wirkt jetzt entspannt und schläfrig von dem »Gewürz«.
    »Machst
du
mir Vorwürfe?«, fragt Saba und schnuppert an Khanom Omidis ausrangiertem Kreuzkümmelglas.
    »Ach was, küss ihn, so viel du willst«, sagt Ponneh. Sie nuschelt leicht, und ihr Kopf sinkt gegen die Wand, während sie
The Joy Luck Club
aus den Händen gleiten lässt. »Aber riskier bitte nicht das Gute, das wir teilen … wir drei …«
    »Gut, gut, lass sie schlafen«, sagt Khanom Omidi mit belegter, leiser Stimme. Sie beugt sich über Ponneh und

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