Ein Todsicherer Job
sagte Rivera, der keineswegs verstand. »Woher kennen Sie Mrs. Posokowanowich?«
»Ich kenne sie nicht. Ihr Name stand in meinem Kalender. Genau so, wie ich es Ihnen gezeigt habe.«
»Ja, stimmt. Das haben Sie. Aber es gibt Ihnen noch keine Lizenz zum Töten, oder?«
»Das ist genau der Punkt. Sie hätte schon vor drei Wochen tot sein sollen. Es stand sogar eine Anzeige in der Zeitung. Ich wollte nur dafür sorgen, dass auch alles korrekt läuft.«
»Statt also den Chronicle eine Berichtigung drucken zu lassen, bringen Sie Oma lieber eigenhändig um?«
»Tja, ansonsten hätte meine Tochter ›Mietzi‹ zu ihr sagen müssen, und ich weigere mich, mein Kind so auszunutzen.«
»Nun, ich bewundere Ihre hehren Beweggründe, Charlie«, sagte Rivera und dachte: Wen muss ich hier erschießen, um was zu trinken zu bekommen? »Aber nehmen wir mal für eine Millisekunde an, ich würde Ihnen glauben, dass die alte Dame eigentlich tot sein sollte, es aber nicht ist, und dass man Sie deshalb mit einer Armbrust beschossen hat und dieses Ding, auf das ich in der Gasse geschossen habe, deshalb aufgetaucht ist – nehmen wir mal an, ich glaube das alles: Was soll ich deswegen unternehmen?«
»Sie müssen vorsichtig sein«, sagte Charlie. »Sonst werden Sie noch einer von uns.«
»Verzeihung?«
»So war es bei mir. Als meine Frau starb, im Krankenhaus, da habe ich den Mann gesehen, der ihr Seelenschiffchen abholen sollte, und zack war ich selbst Totenbote. Sie haben mich heute gesehen, als mich sonst niemand sehen konnte, und Sie haben die Gullyhexe gesehen, an diesem Abend in der Gasse. Normalerweise kann nur ich sie sehen.«
Rivera hätte diesen Mann am allerliebsten einem Psychiater anvertraut, damit er ihn nicht wiedersehen musste, aber das Problem war, dass er diese Harpyie gesehen hatte, damals an diesem Abend und dann noch einmal in der Straße, an der er wohnte, und er hatte Berichte von sonderbaren Dingen gelesen, die seit zwei Wochen in der Stadt vor sich gingen. Und zwar nicht das ganz normale schräge Zeug, das man von San Francisco nicht anders erwartete, sondern richtig schräge Sachen, wie etwa ein Schwarm von Raben, die einen Touristen auf dem Coit Tower angefallen hatten, und ein Mann, der in Chinatown mit seinem Wagen im Schaufenster eines Ladens gelandet war und aussagte, er sei ins Schleudern geraten, weil er einem Drachen ausweichen musste, und überall im Mission District behaupteten Leute, sie hätten einen Leguan gesehen, der als Musketier verkleidet war und ihren Müll durchwühlte, mit kleinem Degen und allem drum und dran.
»Ich kann es beweisen«, sagte Charlie. »Bringen Sie mich einfach zu diesem Musikladen in der Castro Street.«
Rivera betrachtete die traurigen, nackten Eiswürfel in seinem Glas und sagte: »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass es gar nicht so einfach ist, Ihren Gedankengängen zu folgen, Charlie?«
»Sie sollten mit Minty Fresh sprechen.«
»Natürlich, das klärt einiges. Und wenn ich schon dabei bin, sollte ich gleich mal kurz ein Wörtchen mit Hubba Bubba wechseln. «
»Er ist auch Totenbote. Er kann Ihnen bestätigen, dass alles, was ich sage, wahr ist, und dann können Sie mich laufen lassen.« »Stehen Sie auf.« Rivera erhob sich.
»Ich hab meinen Wein noch nicht ausgetrunken.«
»Legen Sie das Geld für die Drinks auf den Tisch und stehen Sie bitte auf.« Rivera hakte seinen Finger in Charlies Handschellen und zog ihn auf die Beine. »Wir fahren zur Castro Street.«
»Ich glaube, mit diesen Dingern kann ich mich nicht auf meinen Stock stützen«, sagte Charlie.
Rivera seufzte und sah hinunter zu den Surfern. Er glaubte, in einer Welle hinter einem Surfer etwas Großes zu erkennen, doch als sein Herz schon vor Freude hüpfen wollte, hob ein Seelöwe sein bärtiges Gesicht aus der Dünung, und Rivera wurde es schwer ums Herz. Er warf Charlie die Schlüssel für die Handschellen zu.
»Wir treffen uns am Auto. Ich geh kurz pinkeln.«
»Ich könnte abhauen.«
»Tun Sie das, Charlie... sobald Sie bezahlt haben.«
Anton Dubois, der Besitzer von Book ’ em Danno im Mission District, war schon länger Totenbote als irgendwer sonst in San Francisco. Natürlich hatte er sich anfangs selbst nicht als Totenbote bezeichnet, doch nachdem dieser Minty Fresh, der damals einen Plattenladen an der Castro eröffnete, den Begriff geprägt hatte, konnte er sich nur noch als solchen sehen. Er war fünfundsechzig Jahre alt und gesundheitlich nicht eben in
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