Ein Todsicherer Job
im Schlaf geschrieben, doch das jetzt war eine gänzlich neue Wendung. Er nahm sich vor, deswegen auszuflippen, sobald er Zeit dafür hatte.
Allerdings hatte er wegen der todesnahen Sexerfahrung und der Sache mit seiner Mom noch nicht mal vorbereitende Recherchen zu den ersten beiden Namen angestellt – Esther Johnson und Irena Posokowanowich, deren Abholdatum mittlerweile überschritten war, eines sogar um drei Tage. Was wäre, wenn die Gullyhexen schon dort waren? Nachdem sie inzwischen so stark geworden waren, wagte er sich gar nicht vorzustellen, wozu sie in der Lage wären, wenn sie eine weitere Seele bekamen. Er überlegte, ob er bei Rivera anrufen sollte, damit der ihm Deckung gab, wenn er ins Haus ging, aber wie sollte er ihm erklären, was er da trieb? Der gewiefte Cop wusste, dass etwas Übernatürliches vor sich ging, und hatte Charlie geglaubt, als der ihm sein Wort gab, dass er zu den Guten gehörte (was nicht schwierig war, nachdem er gesehen hatte, wie ihm die Gullyhexe ihre zehn Zentimeter lange Klaue ins Nasenloch trieb, dann neun Schüsse aus einer .9mm in die Brust überlebte und dennoch wegflog).
Ziellos fuhr Charlie herum, nach Pacific Heights, einfach weil in dieser Richtung weniger Verkehr war. Er hielt am Straßenrand und rief die Auskunft an.
»Ich brauche Telefonnummer und Adresse einer gewissen Esther Johnson.«
»Es gibt keine Esther Johnson, Sir, aber ich habe drei E. Johnson.«
»Wären Sie so nett, mir die Adressen zu sagen?«
Sie gab ihm die beiden, die Adressen hatten. Eine Bandaufnahme bot an, die Nummer für eine zusätzliche Gebühr von fünfzig Cents zu wählen.
»Genau, und wie viel kostet es mich, hinzufahren?«, fragte Charlie die Computerstimme. Dann legte er auf und wählte E. Johnson ohne Adresse.
»Hi, könnte ich bitte Esther Johnson sprechen?«, sagte Charlie gut gelaunt.
»Hier gibt es keine Esther Johnson«, erwiderte eine Männerstimme. »Ich fürchte, Sie haben die falsche Nummer.«
»Warten Sie! Gab es bis vor ungefähr drei Tagen bei Ihnen eine Esther Johnson?«, fragte Charlie. »Ich habe E. Johnson im Telefonbuch gefunden.«
»Das bin ich«, sagte der Mann, »Ed Johnson.« »Entschuldigen Sie die Störung, Mr. Johnson.« Charlie legte auf und wählte den nächsten E. Johnson.
»Hallo«, sagte eine weibliche Stimme.
»Hi, könnte ich bitte Esther Johnson sprechen?«
Tiefes Luftholen. »Wer spricht da?«
Charlie wendete eine List an, die schon dutzendmal funktioniert hatte. »Hier ist Charlie Asher von Asher ’ s Secondhand . Wir haben einige Waren hereinbekommen, auf denen Esther Johnsons Name steht, und wir möchten sicherstellen, dass sie nicht gestohlen sind.«
»Nun, Mr. Asher, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass meine Tante vor drei Tagen von uns gegangen ist.«
»Bingo!«, sagte Charlie.
»Bitte?«
»Verzeihung«, sagte Charlie, »mein Kollege hat eben ein Rubbel-Los freigekratzt und zehntausend Dollar gewonnen.«
»Mr. Asher, jetzt ist kein guter Zeitpunkt. Sind diese Waren, von denen Sie sprechen, denn wertvoll?«
»Nein, nur alte Kleider.«
»Dann ein andermal, ja?« Die Frau klang eher gehetzt als traurig. »Wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Nein. Mein Beileid«, sagte Charlie. Er legte auf, prüfte die Adresse und fuhr in Richtung Golden Gate Park und Haight Ashbury.
Haight Ashbury: Mekka der freien Liebe in den Sechzigern, wo die Beat Generation ihre Blumenkinder zeugte, wohin damals die Kids aus dem ganzen Land kamen, um sich einzugrooven, anzutörnen und auszusteigen – und auch später noch, als das Viertel wechselhafte Zeiten durchmachte. Als Charlie nun die Haight Street entlangfuhr, zwischen Headshops, vegetarischen Restaurants, Hippieboutiquen, Musikläden und Cafés, sah er Hippies im Alter zwischen fünfzehn und siebzig. Ergraute Greise bettelten oder verteilten Handzettel, und junge, weiße Teenager mit Rastazöpfen und wallenden Röcken oder Hanfhosen mit Kordel, mit glitzernden Piercings und leerem, zugedröhntem Blick. Er kam an Crackheads mit braunen Zähnen vorbei, die Autos anbellten, hier und da ein stacheliges Überbleibsel der Punkbewegung, alte Männer mit Baskenmützen und Beatniks, die aussahen, als kämen sie aus einem Jazzclub von 1953. Es war nicht so sehr, als wären die Zeiger der Uhr stehen geblieben, sondern eher so, als hätte man sie vor Verzweiflung in die Luft geworfen, wobei die Uhr rief: »Mir doch egal! Ich mach mich vom Acker!«
Esther Johnsons Haus lag nur zwei Blocks abseits der
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