Ein toedlicher Plan
so ähnlich wie auf einer englischen höheren Erziehungsanstalt für Knaben zu. In dieser Kanzlei wäre es fast schon normal gewesen, wenn er jetzt mit Lillick in die Turnhalle verschwunden wäre, ihm dort die Hose heruntergezogen hätte und ihm dann …
Clayton sagte nichts mehr, sah Lillick aber tief und ernst in die Augen. Nach etwa einer halben Minute erklärte dieser leise: »Da ist schon etwas.«
»Ja?«
»Es könnte eine Hilfe sein.«
»Ich hoffe sehr, dass es sich als hilfreich erweisen wird«, entgegnete Clayton. »Mir bleibt nämlich keine Zeit mehr, mich mit Nichtigkeiten abzugeben.«
Taylor saß in Mitchells Loft am großen antiken Schreibtisch. Die Uhr zeigte halb vier morgens. Vor einer halben Stunde war sie plötzlich aufgewacht. Ein Traum war daran schuld gewesen, dessen Bilder genauso unbarmherzig vergingen wie ihre Fähigkeit, wieder einzuschlafen. Sie war noch eine Viertelstunde im Bett geblieben, doch dann war sie vorsichtig aufgestanden und in die Küche gegangen. Warme Milch half ihr stets, wieder Schlaf zu finden, doch Taylor trank sie diesmal kalt, weil sie sich nicht traute, den riesigen Herd in Betrieb zu setzen. Danach war sie durch die Wohnung gewandert, in die hier und da das Licht der Straßenlaternen fiel. Am Schreibtisch hatte sie angehalten, ihre Milch getrunken und die Titelseite der
Times
vom Vortag gelesen.
Taylor lehnte sich in den Drehsessel zurück. Sie trug Mitchells Anzughemd, das er achtlos auf seine alte lackierte Holztruhe geworfen hatte.
Wie oft schon hast du dir an einem Sonntagmorgen wie diesem ein Herrenhemd ausgeborgt, es über dein dunkles Kleid gezogen und es ordentlich zugeknöpft, damit Passanten und Türsteher nicht auf die Idee kamen, du hättest die Nacht mit einem Mann verbracht?
Nicht allzu viele Sonntagmorgen, aber genug.
Sie zählte zusammen, wie oft sie bisher einen Heiratsantrag bekommen hatte (sechsmal), mit wie vielen Männern sie eine Weile in einer Wohnung gelebt hatte (drei) und mit wie vielen sie geschlafen hatte (zwölf, nein, aktueller Stand: dreizehn). Sie dachte an die Männer, die sie nicht sonderlich hatte leiden können und mit denen sie dennoch im Bett gelandet war, und an die, hinter denen sie her gewesen war und die sie begehrt hatte und die sie trotzdem wie Luft behandelt hatten.
Mitchell, wer ist sie? Wer ist deine Freundin in Westchester? Nun aber mal langsam, diese Frage ist nicht fair.
Nein, im Gegenteil, nach dieser Nacht habe ich ein Recht zu fragen.
Sie drehte sich um und betrachtete ihn im Schlaf. Sein Kopf war tief in das Daunenkissen eingesunken, und er sah aus, als wäre er ganz in intensiver Zufriedenheit aufgegangen.
Ich habe das Recht, es zu erfahren …
Sie trank noch einen Schluck.
Oder etwa nicht?
Sei bloß auf der Hut. Denk immer an Thom Sebastians Bemerkung über den Mythos schöner Frauen. Besser gesagt, denk an den Mythos des absoluten Augenblicks – wenn wir zusammenliegen, Muskeln zucken, die Glieder sich im Zustand höchster Entspannung befinden und wir uns in der Sorglosigkeit und Gewissheit der wirklichen Liebe wiegen. Der absolute Moment, in dem wir vergessen, dass Liebe nicht ewig hält, dass man auf Worte nicht bauen kann und dass wir nie geschützt sind vor den gelegentlich komischen, aber meist schmerzhaften Unterschieden zwischen ihm und ihr, die wir so angestrengt und so erfolgreich zu ignorieren verstehen.
Taylor dachte an die Dinner, die sie für ihn bestellen, an die Gerichte, die sie ihm kochen würde, und an seine Familie. Und etwas später fragte sie sich, wann er zuletzt sein Prunkbett mit einer anderen Frau geteilt hatte. Welche Gedanken mochten ihm wohl durch den Kopf gegangen sein, als er schwer atmend auf ihr gelegen hatte?
O ja, ich habe sehr wohl das Recht auf eine Antwort …
Aber sie wusste nur zu gut, dass sie ihm die Frage nicht stellen würde. Man muss bei solchen Fragen auf jede Antwort gefasst sein. Und Taylor Lockwood war noch nicht bereit, das zu hören, was sie lieber nicht hören wollte.
Sie kehrte zum Bett zurück und hielt dabei den Blick auf seinen Körper gerichtet, der sich unter der Decke abzeichnete. Würde sie wieder einmal mit gebrochenem Herzen zurückbleiben? Würde er bei seinen Freunden Witze und dumme Bemerkungen über sie machen? Ich bin oft abends mit schönen Frauen ins Bett gegangen und morgens neben hässlichen Krähen aufgewacht … Nein, so würde er ganz bestimmt nicht von ihr denken. Für ihn war sie keine weitere Trophäe, wie sie es
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