Ein toedlicher Plan
Tassen. »Werden Sie mit einem besonderen Stift unterschreiben, Wendall? So, wie das unser Präsident immer tut?«
Das Lachen, das er als Antwort von Clayton erhielt, überraschte ihn in seiner Heftigkeit. »Nein, John, ganz bestimmt nicht. Ich werde wie immer dieses alte Ding hier benutzen.«
Er schraubte seinen Füllfederhalter auf, mit dem er schon seit Jahren seinen Namen unter alle Papiere setzte. Ganz am Anfang seiner Karriere bei Hubbard, White & Willis hatte er sich einmal in der Situation befunden, einen wichtigen Vertrag abgeschlossen zu haben und ohne Stift gewesen zu sein. Donald Burdick hatte ihm einen verärgerten Blick zugeworfen, ihm seinen eigenen Füller zugeschoben und gebrummt: »Sie sollten stets auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, Wendall. Merken Sie sich das.«
Wendall Clayton legte den Füllfederhalter vor sich hin und nahm die Kaffeetasse, die Perelli ihm reichte.
…Dreiundzwanzig
Nachdem Taylor Sebastian bei ihm zu Hause abgesetzt hatte, verbrachte sie die Nacht in ihrer Wohnung. Zum ersten Mal nach ein paar Tagen wieder allein zu schlafen fiel ihr schwer, und sie wachte drei- oder viermal aus einem Albtraum auf. Doch nicht so sehr das, was sie in diesen Träumen gesehen hatte, beunruhigte sie, sondern zwei Bilder, die ihr immer wieder ins Bewusstsein kamen, während sie dalag und einzuschlafen versuchte. Das erste zeigte die blutige, geisterhafte Frau in Lillicks Performance, das zweite den blassgrünen Zettel, auf dem die Worte »Banque Industrielle de Genève gegen Hanover & Stiver, Inc. 9. Dezember« standen. Es wurde vier Uhr, ehe sie endlich eingeschlafen war. Um halb zehn wachte sie völlig zerschlagen und desorientiert auf.
Nach einer Dusche und einem Frühstück fühlte sie sich deutlich besser. Sie warf die benutzte Filtertüte in den Abfalleimer, setzte frisch gerösteten Kaffee auf und trank eine halbe Tasse, ehe sie zu packen anfing. In Mitchells Loft befanden sich zwei ihrer Blusen, ein Nachthemd und zwei Paar Turnschuhe. Ihre Zahnbürste war hier und ihr Diaphragma dort. Wie stand es mit Unterwäsche? Sowohl hier wie dort. Sie hatte bereits wieder vergessen, wie viel Planung eine Partnerschaft erforderte, in der beide Seiten ihre Wohnungen behielten und man ständig hin- und herzog. Liebe war schon eine feine Sache, aber wie teilte man am besten seine Kleidung auf?
Taylor spazierte in Richtung Chelsea über die Fifth Avenue und kam an einigen der wuchtigen protestantischen Kirchen in Greenwich Village vorbei, in die gerade die Gläubigen zur Vormittagsmesse drängten. Nördlich der Fourteenth Street wurden die Gehwege leerer. Taylor wich vereisten Stellen aus und erinnerte sich, wie der Musiklehrer ihr immer erklärt hatte, sie solle sich beim Gehen vorstellen, ihre Schritte seien Taktschläge. Das tat sie jetzt auch und unterteilte dabei die Phasen zwischen zwei Schritten in Halb-, Viertel- und Achtelnoten.
Eins, zwei und drei und vier …
Halb tänzelnd bewegte sie sich auf der Höhe der Sixth Avenue über die leeren Trottoirs von Chelsea. Die Berufsfotografen, die sich einst diese Gegend mit Druckern, Lagerhäusern und koreanischen Importeuren geteilt hatten, waren längst fortgezogen und lebten nun in der Umgebung von hochherrschaftlichen Loftwohnungen und Edel-Restaurants, die jeweils für sechs Monate angesagt blieben und dann der Vergessenheit anheimfielen und schließen konnten. Das heutige Chelsea präsentierte sich als abweisendes, düsteres und funktional bestimmtes Territorium.
Eins, zwei und drei und vier … Eins, zwei und drei und vier … Eins …
Ein Arm schob sich vor ihre Augen und raubte ihr die Sicht.
Der Angreifer war nicht stark, aber Taylor war von dem Überfall so überrascht, dass sie, ohne an Gegenwehr zu denken, zur Seite kippte und dabei über ein Kabel und ein paar Kisten stolperte. Sie riss die Hände hoch, unfähig zu schreien, da sie keine Luft bekam. Sie wand sich, konnte sich befreien und roch den Gestank vom Abfall eines Restaurants – gammliges Bohnenkraut, abgenagte Hähnchenknochen und Knoblauch. Im nächsten Moment prasselten Fausthiebe auf sie nieder.
Sie würde diesen Angriff nicht überleben. Ihr Ende stand bevor. Mitchell!
Doch jetzt bemerkte sie, dass die Hiebe wahllos erfolgten. Ja, Wut und Entschlossenheit steckten in ihnen, aber sie trafen nicht mit der Absicht, sie umzubringen.
Dann hörten die Schläge unvermittelt auf, und als Nächstes vernahm Taylor Schluchzen. Das kam nicht von ihr, denn in das
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