Ein toedlicher Plan
Hubbard, White & Willis – wird noch in hundert Jahren die Uhrzeit angeben, vielleicht auch noch in zwei oder drei Jahrhunderten.
Burdick hat alles rasch geregelt. Claytons Klienten sind unter den Partnern aufgeteilt worden, und er selbst hat die Rechtsvertretung eines bedeutenden amerikanischen Limonadenherstellers übernommen. Darüber hinaus ist er jetzt Konkursverwalter einer Bankrott gegangenen Fabrik. Und er sonnt sich in seiner Rolle als Syndikus des St.-Agnes-Krankenhauses. Diese neuen Klienten erhöhen sein Einkommen um sechshunderttausend im Jahr. Die Fusionsvorbereitungen ruhen zurzeit und sollen erst nach einer angemessenen Trauerfrist wieder aufgenommen werden. Burdick hat sich erst einmal kurz mit John Perelli unterhalten, ist sich aber bewusst, dass er sich demnächst einem längeren Gespräch mit dem Mann stellen muss. Der zähe italienische Anwalt wird seine Optionen abwägen und vermutlich verlangen, dass die Fusion trotz Claytons Tod durchgeführt wird. Morgen. Morgen ist immer noch Zeit dafür. Im Augenblick muss Donald Burdick sich darauf konzentrieren, eine angemessene Trauermiene aufzusetzen.
Während ihr Mann seine eigenen Probleme löst, erscheint Vera Burdick bei einer Gala zugunsten der AIDS-Forschung, ein Thema, das sie nicht im Geringsten interessiert. Sie nimmt nur deswegen daran teil, weil es sich bei dieser Veranstaltung um den gesellschaftlichen Anlass der Saison handelt, zu dem die gesamte Presse zusammenströmen wird. Und Vera geht noch aus einem anderen Grund zu der Gala, nämlich um dort vor der Öffentlichkeit ihrem Schock und ihrer Trauer über den unerwarteten Tod von Wendall Clayton Ausdruck geben zu können. Wenn er sich doch nur an ihren Mann gewendet und mit ihm über seine enorme Arbeitsbelastung geredet hätte, klagt Vera vor allen, die ihr zuhören, hätte man doch sicher einen Weg finden, hätte man die Tragödie vielleicht abwenden können. Donald sei sogar dabei gewesen, teilt sie einem Reporter mit, ein Aushilfsprogramm zu entwickeln, um den Anwälten und Angestellten von Hubbard, White & Willis etwas von dem Arbeitsdruck zu nehmen. Und sie beschwört alle anderen Kanzleien, die Anforderungen zu überprüfen, die sie an ihre Anwälte stellen, vor allem an die jüngeren Mitarbeiter und gerade aufgenommenen Partner.
Neben dem Artikel in der
Times
über die Gala ist auch ein Foto von ihr, auf dem sie ausgesprochen gut getroffen ist. Minkie Bigelow, die die Gala ausgerichtet hat, wird hingegen nicht einmal zitiert, geschweige denn im Bild gezeigt.
Zuvor hat Vera zusammen mit ihrem Mann an Claytons Beerdigung teilgenommen und aus Respekt vor dem Verblichenen keine falschen Tränen vergossen. Allerdings hat sie sich nichts von etwaiger Freude über dessen Ableben anmerken lassen. Ihre einzige emotionale Reaktion auf den Vorfall zeigt sie eines Abends, nachdem ihr Mann recht spät von einer Besprechung mit Klienten heimgekehrt ist. Sie beobachtet ihn. In seinem dunklen Smoking und seiner kerzengeraden Haltung geht wirklich etwas Königliches von ihm aus. Er begibt sich mit fast abgemessenen Schritten zur Bar und schenkt sich und ihr ein Glas Sherry ein. Sie tritt zu ihm, legt eine Hand auf seinen Arm und küsst ihn auf die Wange.
»Darling«, sagt sie.
Er dreht sich verwirrt zu ihr um, weil er solche Ausbrüche von Zuneigung von ihr nicht kennt.
Sie zuckt mit den Schultern, so als wollte sie sagen, sie könne das auch nicht verstehen, und bemerkt: »Ich habe das Gefühl, du warst weit weg und bist jetzt wieder zu Hause.«
Obwohl Thom Sebastian für gewöhnlich nicht die Zeit dazu bleibt und er auch keine rechte Neigung dazu verspürt, Metaphern für seinen Arbeitsplatz zu finden, ist ihm doch zur Kanzlei eine in den Sinn gekommen. Er vergleicht sie mit einem Rennen. Wenn man durchs Ziel gelaufen ist, ist das Rennen beendet. Und seit er seine Lage in diesem Licht sehen kann, erscheint es ihm sogar günstiger, nicht als Partner aufgenommen worden zu sein.
Um genau zu sein, er ist sogar glücklich. Er fühlt wieder die überschäumende Freude wie damals, als er spät an einem warmen Samstagmorgen im Haus der Burschenschaft aufgewacht und nur mit der Pyjamahose bekleidet herumgelaufen ist, sich als Erstes eine Dose Bier genehmigt hat, um sich dann in aller Ruhe dem Sportteil der Zeitung zu widmen und dabei an seine Verabredung zum Spiel am Nachmittag zu denken. Diese Qualität von Glück hat er seitdem nie wieder verspürt.
Sebastian ist sich nicht einmal sicher,
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