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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Deaver
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verabschiedete sie sich von Carrie und ging auf die Bühne zurück. Als sie wieder zu spielen anfing, bekam sie eine Gänsehaut. Eine unbestimmte Furcht beschlich sie.
    Wer, zum Teufel, hat uns gesehen?
    Wer, zum Teufel, interessiert sich dafür?
    Sie fand auf keine der beiden Fragen eine Antwort und gelangte schon bald zu dem Schluss, dass sie sich selbst verrückt machte. Dann musste sie lachen, als ihr klar wurde, dass das Lied, das sie spielte und das ihr wohl das Unterbewusstsein eingegeben hatte, den Titel »Someone to Watch Over Me« trug.
    »Sie können mich Sly nennen.«
    Die junge Frau musterte den pausbäckigen jungen Mann mit seiner rosigen, babyweichen Haut, der Nachrichtensprecherfrisur, dem grauen Anzug und der Cartier-Uhr. Und auch er betrachtete sie – rotes Kleid mit gepolsterten Schultern, schwarze Strümpfe mit Paisley-Muster, schwarzer Hut mit Schleier. Und ziemlich kleine Brüste, das bemerkte er gleich, aber sie zeigte viel Haut.
    »Was?«, schrie sie. Die Musik in diesem Laden wurde mit der Lautstärke von Düsentriebwerken abgespielt.
    »Sie können mich Sly nennen.« Die meisten Frauen lachten, wenn er sich mit dem Spitznamen von Sylvester Stallone vorstellte, und entgegneten dann: »Verpiss dich!«, oder: »Zieh Leine!« Aber die hier war anders, sie schien sich Zeit zu nehmen. Sie sah ihn an, während er geistesabwesend mit irgendeinem Gegenstand in seiner Hand auf den Tresen klopfte, so als wollte er Morsezeichen aussenden.
    Tapp, tapp, tapp.
    »Man hat mich schon oft auf der Straße mit Stallone verwechselt. Ist mir eigentlich peinlich«, sagte jetzt der junge Mann mit dem Doppelkinn und dem Bauch, der über dem Alligatorgürtel hing. Er wusste, wie er seine Anmachsprüche an den Mann beziehungsweise an die Frau zu bringen hatte. Anmachen, Flirten, Kontaktaufnahme, oder wie immer man es auch nennen wollte, war im Grunde nicht anders als eine Geschäftsverhandlung. Man musste in eine Rolle schlüpfen und sie spielen. Eigentlich war es eine Schande, dass nicht jede Frau sofort große Augen bekam, wenn er den Athletic Club, die Junior League oder sein Tennisspiel im Piping Rock erwähnte. (Das ist der richtige Tennisclub für dich, Darling, der megacoolste überhaupt.)
    Aber hier war er in Downtown, und man musste sich immer auf den Markt einstellen, auf den man sich begab, nicht wahr? Dieser Club war ein ehemaliges Lagerhaus, das man gründlich von oben bis unten renoviert und umgebaut hatte. Man erreichte ihn über ausbesserungsbedürftige Kopfsteinpflasterstraßen, auf denen man nur den Limousinen und Taxis begegnete, die vor dem Laden anhielten und die Vergnügungssüchtigen absetzten. Die bauten sich dann wie Bittsteller vor den Türstehern mit den weiten Jacken auf. Und diese wiederum prüften sorgfältig, wer von ihnen eintreten durfte, und zeigten das den Glücklichen mit einem Fingerschnippen an.
    Tapp, tapp, tapp.
    Die meisten gaben ihm gleich recht unfreundlich zu verstehen, er solle abhauen. Aber da waren eben auch Frauen, die genauso reagierten wie die hier neben ihm. Sie blickten auf seinen kleinen Taktstock, ein dunkelbraunes Fläschchen. Und nach einer Weile sagten sie dann: »Hi, ich bin Veronica.«
    Er zählte sieben Farben auf ihrem Gesicht und fragte sich, wie lange sie wohl daran gesessen hatte, so viel Schminke aufzutragen. Bestimmt waren einige Stunden dafür draufgegangen. Wenn man all diese Stunden zusammennahm, kam nach ein paar Wochen vielleicht ein echtes Kunstwerk dabei heraus. Wie lange wohl Picasso für sein
Guernica
gebraucht hatte?
    »Und was machen Sie so, Veronica?«
    »Alles Mögliche, und davon jede Menge. Und wenn Sie nicht gerade einen Film drehen, was treiben Sie dann, Sylvester?« Der Brooklyn-Singsang in ihrer Stimme dämpfte seine freudige Erwartung erheblich.
    »Ich höre offiziell auf den Namen Thom Sebastian und arbeite als Anwalt.«
    Die zwei Meter hohen Lautsprecher, vor denen ein blau gewandeter Transvestit tanzte, sandten unermüdlich Basswogen zu ihnen hinab. Und es roch stechend nach Zigarettenqualm und einem ozonartigen Gas, das aus der Nebelmaschine stammte.
    Vibrierende Veronica, lebhafte Veronica, sehr zugängliche Veronica. Erfahrene, talentreiche, bewegliche Veronica. Veronica, die sich zu jedem ins Bett legt, der ihr die Nase oder den Bauch füllt.
    Tapp, tapp, tapp.
    Er schenkte ihr sein schönstes jungenhaftes Lächeln, während sie über ihre Arbeit und ihre Zukunftspläne redete – sie verkaufte allem Anschein nach in

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