Ein toedlicher Plan
irgendeinem Laden Importkleider und wollte Model werden. Sebastian nickte in regelmäßigen Abständen dazu, gab gelegentlich einsilbige Kommentare und glitt in eine Art Déjà-vu-Erlebnis, in dem sich der weitere Verlauf des Abends vor ihm ausbreitete. Er grinste, als die Vorfreude sich wieder einstellte. Sie würden auf die Toilette gehen, sich in eine der Kabinen drängen und dort rasch eine oder zwei Linien Koks reinziehen – aber noch nicht zum Nahkampf übergehen. Sebastian erwartete auch nicht, dass sie dazu schon bereit war. Schließlich lief das Ganze wie eine Geschäftsverhandlung ab, und da galt es, das Protokoll einzuhalten. Immer schön einen Schritt nach dem anderen. Nach dem Koks würden sie Pasta und Salat in einem Restaurant zu sich nehmen und später hierher zurückkehren oder einen anderen Club aufsuchen. Und wenn es auf drei Uhr zuging, würde er sie mit gespielter Nervosität fragen, ob sie jemals jenseits der Fourteenth Avenue gewesen sei.
Ich werde dich dort beschützen, ich bin dein großer weißer Jäger.
Du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen. Die Eingeborenen da sind zwar unberechenbar, aber ich werde dich schon sicher führen. Gott stehe uns bei, wir gehen wirklich nach Uptown.
Endlich ins Taxi und zu seiner Wohnung. Eine kurze Führung, und dann noch eine Ladung Koks. Die Donnerdröhnung. Bei Veronica hatte er nicht den Eindruck, als brauchte sie Designerdrogen oder Crack, um in Stimmung zu kommen. Allein schon der Vorschlag würde sie entsetzen. Dann die kleinen Wortspielchen, ohne allzu viel direkt zu sagen. Und schließlich die Frage: Dein Kondom oder meins?
Und nach dem Ringkampf würden sie schlafen. Bis morgen früh um halb neun. Danach gemeinsam duschen, sich mit dem Fön abwechseln, der Abschiedskuss und Veronica mit dem Taxi nach Hause.
»Klopf, klopf, hallo, Veronica, ich habe hier etwas wirklich Göttliches …«
Tapp, tapp, tapp.
Sie lachte.
»Eine kleine Dröhnung, nur wir zwei?« Er trank einen Schluck und sagte dann: »Ich nehme nie beides durcheinander. Erst das Glas leeren, dann die Muntermacher.«
Mehr Lachen strömte von den dunkelroten Lippen.
Tapp, tapp, tapp.
Doch dann kam es zu einer Störung. Eine weitere Veronica tauchte auf und spazierte auf sie zu. Die Kleidung der beiden Frauen unterschied sich, aber die hohen Wangenknochen, die weiße Haut, die Seidenkleider, die dünnen Träger und die Unmengen an Modeschmuck (mit dem man einen halben Flohmarkt bestücken konnte) waren gleich. Der Duft von einem blumigen Parfüm wehte heran. Die beiden begrüßten sich mit Wangenküssen. Hinter der neuen Veronica standen zwei japanische Jünglinge, die die Wiedersehensfreude der Frauen genauso zu nerven schien wie ihn. Sie hatten sich jeder mindestens ein Pfund Gel ins Haar geklatscht und sahen aus wie Stachelschweine. Einer von ihnen trug eine Art Orden voller Strass. Sebastian konnte die beiden auf Anhieb nicht leiden; nicht etwa, weil sie ihm seine Neueroberung zu entführen drohten, sondern aus einem Grund, den er nicht näher zu definieren vermochte. Am liebsten hätte er sich zu den Männern vorgebeugt und den einen gefragt, ob er sich den Orden im Zweiten Weltkrieg auf Iwo Jima verdient habe. Das Quartett entschwand im künstlichen Nebel. Veronica I zuckte mit den Schultern und bedachte ihn mit einem Lächeln, das ihr Bedauern Lügen strafte.
Tapp, tapp, tapp.
»Quo vadis, Veronica?«, murmelte Sebastian und bemühte sich, die Vs so auszusprechen, wie es ihm sein Lateinlehrer in Cambridge beigebracht hatte.
Als er aufblickte, sah er im Spiegel eine hübsche Frau in einem schwarzen Kleid zu seiner Rechten an der Theke stehen. Sie bestellte eine Cola mit Rum und fragte Sebastian dann unvermittelt: »Können Sie mich retten? Vor dieser Frau dort drüben? Sie scheint sich einzubilden, ich sei eine verwandte Seele. Doch was auch immer sie von mir will, ich fürchte, es würde mir nicht gefallen.«
Instinktiv drehte er sich um, warf einen Blick zu ihr hin und wandte sich dann wieder an seine Nachbarin. »Keine Angst, ich weiß etwas, das Sie nicht wissen.«
»Und das wäre?«
»Sie ist keine
Sie
.«
»Oh!«
»Aber Sie bleiben besser eine Weile hier bei mir. Man kann nie wissen, was
es
im Schilde führt.«
»Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei etwas.«
»
Au contraire,
Teuerste. Meine große Liebe hat mich gerade verlassen.«
»Und meine hat mich versetzt«, entgegnete sie.
In Sebastians Kopf rasten die Gedanken. Woher kannte er diese Frau?
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