Ein toedlicher Verehrer
gewesen, doch dafür voller Leben. Dieses steinerne Mausoleum wirkte dagegen unendlich leer.
Sie trug ihre Koffer ins Haus, packte aber noch nicht aus. Er bat sie, den TrailBlazer in der am Haus angeschlossenen Garage mit vier Stellplätzen zu parken, und zwar auf dem freien Platz neben einem überraschend unauffälligen blauen Ford. Der weiße Jaguar neben dem Durchgang zum Haus sah viel mehr nach Mr. Densmore aus, genauso wie der weiße Mercedes S-Klasse direkt daneben. Als sie in die Küche zurückkam - noch mehr grauer Marmor und Elektrogeräte mit Edelstahlfronten -, schenkte er gerade heißen Tee in zwei nebeneinander stehende hohe Tassen.
»Bitte sehr«, sagte er und hantierte dabei so umständlich mit dem Zuckerdöschen und einem winzigen Sahnekännchen, als wäre er eine alte Jungfer, die einen jungen Verehrer empfängt. Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass er vielleicht einsam war, so ganz allein in diesem riesigen Kasten, und sie begann sich unwohl zu fühlen.
Sie war dafür ausgebildet, einen Haushalt zu führen, nicht um emotionale oder physische Unterstützung zu geben. Im Lauf der Zeit hatten sie und der Richter eine enge, fürsorgliche Beziehung entwickelt, aber das war unter ganz anderen Umständen geschehen. Mr. Densmore war nicht einfach nur ein Bankdirektor, er war Besitzer einer Bank, und auch wenn sie sein Alter nicht wusste, so schätzte sie ihn doch auf höchstens Anfang sechzig. Er war jung genug, um jeden Tag ins Büro zu gehen; das Bankgeschäft war kompliziert, und selbst mit einem fähigen Management gab es immer noch viel zu beaufsichtigen und zahllose Entscheidungen zu fällen. Sie wusste, dass er auch unter Menschen ging, denn immerhin war sie ihm auf einer Party begegnet. Darum passte dieses sterile, leere Heim irgendwie nicht zu ihm, so als hätte er sein Berufsleben strikt von seinem Privatleben getrennt - als hätte er überhaupt kein Privatleben. Auf dem Rundgang durchs Haus hatte sie kein einziges Familienfoto entdeckt, kein einziges individuelles Souvenir, das ein Haus erst zum Heim machte.
Sie konnte hier unmöglich arbeiten. Sie wollte ihn nur ungern im Stich lassen, aber das würde sie wohl kaum; sie hatte nicht das Gefühl, dass er sie wirklich brauchte, und wenn doch, dann nicht aus Gründen, über die sic länger nachdenken wollte. In ihrer Erschöpfung und Verzweiflung hatte sie eine übereilte Entscheidung gefällt, doch es würde keine Entscheidung von Dauer sein.
»So«, sagte er, brachte das Teetablett an den Tisch und setzte es ab. Er stellte eine Tasse und Untertasse vor sie hin. »Hoffentlich schmeckt er Ihnen; ich lasse die Mischung eigens aus England kommen. Der Geschmack ist etwas ungewöhnlich, aber ich für meinen Teil könnte süchtig danach werden.«
Sie nahm einen Schluck; der Geschmack war wirklich ungewöhnlich, aber nicht unangenehm. Der Tee war etwas bitterer als gewohnt, darum gab sie eine dünne Zitronenscheibe in die Tasse, um ihn abzumildern.
Er beobachtete sie eindringlich und gespannt, bis sie bestätigte: »Er ist ausgezeichnet.«
Er strahlte sie an. »Ich habe gewusst, dass er Ihnen schmeckt!« Er griff nach seiner Tasse, und sie nahm einen weiteren Schluck, während sie nach den richtigen Worten suchte.
Nach kurzem Nachdenken erkannte sie, dass es keine richtigen Worte gab, nur ehrliche. »Mr. Densmore, ich habe einen Fehler gemacht.«
Er setzte seine Tasse ab und blinzelte sie an. »Inwiefern, meine Teure?«
»Ich hätte Ihr Angebot nicht annehmen dürfen. Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, aber ich habe die Entscheidung überstürzt gefällt. Es gibt mehrere Faktoren, die ich dabei nicht berücksichtigt habe. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie Leid es mir tut, aber ich werde die Stelle nicht antreten können.«
Er blinzelte schneller. »Aber Sie haben doch schon Ihr Gepäck hereingebracht.«
»Ich weiß. Es tut mir Leid«, wiederholte sie, »falls ich Ihnen dadurch Unannehmlichkeiten bereitet habe. Falls Sie schon irgendetwas geplant haben, wozu Sie mich benötigen, werde ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung stehen, und es würde mir unter den gegebenen Umständen nicht richtig erscheinen, dafür Geld zu verlangen. Ich habe die Sache nicht richtig durchdacht, sonst hätte ich mich nie so schnell entschieden.«
Schweigend und mit gesenktem Kopf trank er seinen Tee. Dann seufzte er. »Zerbrechen Sie sich deswegen nicht den Kopf; jeder macht mal einen Fehler, und Sie haben sich tadellos verhalten. Aber Sie haben ganz
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