Ein toedlicher Verehrer
Frauen seit Urzeiten alle Krisen überstanden - indem sie sich den anstehenden Aufgaben stellten.
Der Tag war bedeckt und kühler als die vorangegangenen. Sarah genoss die frische Luft auf dem Gesicht, als sie zu ihrem TrailBlazer ging. Plötzlich hatte sie nichts mehr zu tun; ein eigenartiges Gefühl. Sie hatte Barbara ihre Handynummer und die Zimmernummer im Mountain Brook Inn gegeben, wo man sie anrufen würde, sobald der Termin mit Cahill feststand. So wie es aussah, hatte Sarah ein paar Stunden für sich allein. Endlich konnte sie die lang ersehnte Dusche nehmen.
Als sie dann schließlich in ihrem Zimmer stand, glaubte sie an der Stille fast zu ersticken. Stundenlang war sie auf Trab gewesen, umgeben von Menschen, Stimmen, Lichtern. Selbst wenn sie nur herumgesessen und Fragen beantwortet hatte, war sie abgelenkt gewesen. Nun war sie allein und konnte auf einmal nichts mehr für irgendjemanden tun.
Methodisch packte sie die wenigen Sachen aus, die sie dabeihatte, hängte das Kleid ins Bad, um die Falten im warmen Wasserdampf zu glätten, und trat schließlich unter die heiße, entspannende Dusche. Und hier endlich ließ sie den Tränen ihren Lauf..
Sie weinte lange und qualvoll, lehnte zusammengesunken an der Duschwand, das Gesicht in den Händen vergraben, während ihr das Wasser auf den Kopf prasselte. Der stundenlange Stress und die nachtschwarze Trauer quälten sie. Sie wollte etwas kaputtmachen, sie wollte jemandem wehtun, sie wollte verletzen, sie wollte... sie wollte den Richter wiederhaben, aber das war unmöglich.
Schließlich nahm die Natur ihren Lauf, und die heißen Tränen wichen dumpfer Niedergeschlagenheit. Sie drehte die Dusche ab, packte ihr nasses Haar in ein weiches Hotelhandtuch und kroch nackt in ihr Bett. Im Zimmer war es dunkel und kühl, sie war vollkommen erschöpft, und so war sie nach kürzester Zeit eingeschlafen.
Um zehn wurde sie von ihrem Handy geweckt. Sie tastete nach dem Gerät und drückte die Sprechtaste.
»Sarah hier.«
»Sarah, ich bin’s, Barbara. Detective Cahill wird um elf hier sein. Schaffen Sie es bis dahin?«
»Ich bin da«, versprach sie und war schon halb aufgestanden.
Ihr Haar war zerzaust, noch feucht und verknotet. Sie schaltete den kleinen hoteleigenen Kaffeekocher ein und ging dann ihre Haare föhnen und Zähne putzen. Inzwischen war der Kaffee durchgelaufen, sodass sie sich eine Tasse einschenken und sie mit ins Bad nehmen konnte, wo sie sich fertig zurechtmachte. Es war nicht viel zu tun; im Grunde war es ihr gleichgültig, wie sie heute aussah, darum beschränkte sie sich auf etwas Feuchtigkeitscreme und ein bisschen Lipgloss und verzichtete auf den Rest.
Beim Anziehen hatte sie nicht viel Auswahl. Zwischen einem Kleid und zwei ihrer normalen Butleranzüge. Sie hatte nicht einmal eine Jacke hier, obwohl sie heute wahrscheinlich eine brauchen würde. Die übliche weiße Bluse, dazu eine schwarze Hose und eine schwarze Weste würden ausreichen müssen. Vielleicht konnte Cahill dafür sorgen, dass man ihr noch mehr
Kleidung brachte, falls sie morgen immer noch nicht ins Haus zurück durfte.
Aus dem bewölkten Himmel begann ein leichter Nieselregen zu tröpfeln, so kalt, dass er ihr schon auf dem kurzen Weg zum Auto bis in die Knochen drang. Sobald sie den Motor gezündet hatte, schaltete sie als Erstes die Sitzheizung ein; als Zweites setzte sie eine Sonnenbrille auf, um die roten, geschwollenen Augen zu verbergen.
Normalerweise brauchte man eine knappe Viertelstunde zum Wynfrey, aber sie wurde von einem Unfall auf dem Highway 280 aufgehalten und erschien daher erst um fünf nach im Hotel. Wie es der Zufall wollte, betrat Cahill die Lobby im selben Moment. »Was wollen Sie denn hier?«, fragte er barsch.
»Die Familie wollte mich dabeihaben.« Es überraschte sie selbst, wie rau ihre Stimme klang.
Er nickte und sprach dann kein weiteres Wort, während sie nebeneinander zum Aufzug gingen. Sie war zu müde und ausgebrannt, um etwas von Belang oder auch nur etwas Belangloses von sich zu geben. Und wenn er etwas mit ihr zu bereden hatte, dann wahrscheinlich nur noch mehr Fragen, weshalb es ihr ganz recht war, dass er schwieg. Er war wohl mindestens genauso müde wie sie, vielleicht sogar noch müder, das musste sie ihm zugestehen.
Sie musterte ihn mit einem verstohlenen Seitenblick. Irgendwann in letzter Zeit hatte er sich geduscht, rasiert und umgezogen. Falls er erschöpft war, ließ er es sich nicht anmerken. Vielleicht hatte er ja ebenfalls
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