Ein toedlicher Verehrer
Fernseher ein und krabbelte ins Bett zurück. Dringender als etwas zu Essen brauchte sie geistlose Ablenkung.
Sie hatte nichts zu tun. Sie war es gewohnt, dass immer irgendetwas zu tun war. Ihr Leben war streng durchorganisiert, damit jede Aufgabe erledigt werden konnte. Eigentlich sollte sie jetzt den Papierkram erledigen, das Haushaltsbuch führen; das machte sie immer am Donnerstag.
Sie konnte sich einen neuen Pyjama kaufen. In der Nähe gab es drei große Einkaufszentren: Brookwood, Summit, die Galleria. Aber es regnete immer noch, sie fühlte sich matschig und k.o., und offen gesagt war es ihr scheißegal, ob sie im Pyjama schlief oder nicht.
Sie entdeckte, dass der Wetterkanal am Nachmittag noch das interessanteste Programm bot. Nach einer Weile schaltete sie den Fernseher wieder aus, die Nachttischlampe ebenfalls, und zog sich die Decke über die Ohren. Doch sobald sie die Augen schloss, sah sie wieder den Richter in seinem Lehnsessel liegen, den Kopf zur Seite gekippt - und sie roch den Gestank. Hastig setzte sie sich auf und schaltete das Licht wieder ein.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie hatte gerade Kaffee gemacht. Sie konnte nicht glauben, dass sie Kaffee aufgestellt hatte und dann wieder ins Bett gegangen war. Natürlich würde nichts weiter passieren, nur der Kaffee würde schal und bitten Sie konnte alten Kaffee ebenso wenig ausstehen wie der Richter ...
Jeden Morgen war er zu ihr in die Küche gekommen, weil er es nicht erwarten konnte, dass sie ihm den Kaffee servierte. Dann hatten sie plaudernd beisammen gestanden, gemütlich Kaffee getrunken und diesen kleinen Genuss miteinander geteilt, den beide für einen der kleinen Höhepunkte im Leben hielten.
Nie wieder würden sie diese köstliche erste Tasse Kaffee miteinander teilen.
Wie in der Endlosschleife eines Filmes tauchte er erneut vor ihren Augen auf: den weißen Kopf zur Seite gekippt, ein dünnes, dunkles Rinnsal am Hals. Sein Haar war ein wenig verstrubbelt, das einzige, was ihr im Dämmerlicht vom ersten Moment an aufgefallen war. Seine Hände ruhten entspannt auf den Armlehnen, und die Fußstütze war hochgeklappt, als wäre er eben eingenickt.
Seine Hände waren entspannt. Die Fußstütze war hochgeklappt.
Sarah starrte die Wand an, ohne irgendetwas zu sehen als die grässliche Szene aus der vergangenen Nacht. Sie hatte das Ge-fühl, dass ihr langsam der Boden unter den Füßen wegglitt, so als wäre sie aus der Wirklichkeit herausgetreten und in Treibsand geraten.
Die Fußstütze war hochgeklappt.
Er lag in seinem Fernsehsessel - und zwar vollkommen entspannt.
Die Eingangstür war unverschlossen.
Aber die Eingangstür war sonst immer verschlossen. Der Richter schloss sie eigenhändig ab, sobald er von seinem Nachmittagsspaziergang heimkam. Seit Sarah für ihn arbeitete, hatte sie kein einziges Mal erlebt, dass er die Eingangstür nicht abgeschlossen hatte.
Wie wahrscheinlich war es wohl, dass er sie ein einziges Mal abzuschließen vergaß und sofort ein Mörder ins Haus kam? Nicht besonders wahrscheinlich. Quatsch, die Chancen standen in astronomischer Höhe gegen einen derartigen Zufall. Seit den Morddrohungen und vor allem seit dem Einbruch war der Richter äußerst gewissenhaft in allen Sicherheitsfragen.
Demnach hatte er nicht vergessen, die Haustür abzuschließen; er hatte sie wieder aufgeschlossen. Um jemanden ins Haus zu lassen?
Warum sollte er einen Fremden ins Haus lassen? Die Antwort war einfach: Er würde es nicht tun.
Nichts deutete auf einen Kampf hin. Es gab keinen Hinweis darauf, dass sich jemand gewaltsam Zutritt verschafft hatte -jedenfalls hatte Cahill ihr oder der Familie gegenüber keinen solchen Hinweis erwähnt, und sie war sicher, dass er das erzählt hätte.
Ihr Magen sackte ins Bodenlose. Auf grässliche Weise fügte sich alles zu einem Bild zusammen. Der Richter hatte einen Bekannten ins Haus gelassen. Sie hatten sich in die Bibliothek ge-setzt... um zu plaudern? Er hatte sich in seinem Lieblingssessel niedergelassen, in dem großen ledernen Fernsehsessel; ganz entspannt hatte er die Fußstütze hochgeklappt. Bis sein Bekannter eine Waffe gezogen und ihm in den Kopf geschossen hatte.
Genau das hatte sich Cahill ebenfalls zurechtgelegt, das hatte er ihnen verschwiegen. Wer immer der Mörder auch sein mochte, der Richter hatte keine Angst vor ihm gehabt. Er hatte seinen Mörder gekannt, hatte sich in seiner Gegenwart entspannt und wohl gefühlt.
Sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu
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