Ein toedlicher Verehrer
Tür auf, sie kletterte in die Kabine und drehte sich nach dem Sicherheitsgurt um. Plötzlich legte er eine Hand auf ihre und beugte sich ins Wageninnere.
Sie machte keine Anstalten, seinem Kuss auszuweichen. Sie wollte ihm nicht ausweichen. Sie wollte wissen, wie er küsste, wie er schmeckte. Sein Mund war warm und die Berührung behutsam, fast zärtlich, so als wollte er sie eher trösten als erregen.
Das hielt ungefähr zwei Sekunden lang. Dann neigte er den
Kopf zur Seite, seine Lippen teilten sich, und der Kuss wurde tiefer, bis seine Zunge in ihrem Mund war und sie die Arme um seinen Hals schlang. Ihr Herz begann Purzelbäume zu schlagen, alle Nerven sprühten Funken; ihre schnurrenden Instinkte hatten sie nicht getrogen. Herr im Himmel, konnte der Man küssen!
Er hob den Kopf und fuhr mit der Zunge über seine Unterlippe, als wollte er ihrem Geschmack nachspüren. »Das war gut.« Seine Stimme war so tief, dass er schon fast knurrte.
»Ja, das war’s.« Sie selbst klang ein bisschen... rauchig? Seit wann denn das? Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben »rauchig« angehört.
»Willst du nochmal?«
»Wir sollten das lieber lassen.«
»Okay«, sagte er und küsste sie noch einmal.
Der Mann war gefährlich. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie schneller, als ihr klar war, in eine ausgewachsene Affäre mit ihm schlittern - möglicherweise noch vor morgen früh. Dies war ganz entschieden der falsche Zeitpunkt, darum musste sie sich zusammenreißen, solange es noch ging. Erst hatte er ihr die kalte Schulter gezeigt, und nun bewegte er sich mit Lichtgeschwindigkeit in die entgegengesetzte Richtung, und das fand sie wirklich etwas beunruhigend.
Mit etwas Mühe entzog sie ihm ihren Mund und schnappte nach Luft. »Stopp, Detective. Bis hierher und nicht weiter.«
Er atmete ebenfalls schwer, doch er trat gehorsam einen Schritt zurück. »Für immer?« Er klang, als könnte er das einfach nicht glauben.
»Nein!« Schon peinlich, wie energisch sie widersprach. »Aber... vorläufig.« Sie holte tief Luft. »Es gibt wichtigere Dinge, über die wir sprechen sollten.«
»Und das wäre?«
»Zum Beispiel darüber, dass der Richter den Mörder meiner Meinung nach gekannt hat.«
Sein Gesicht verlor jeden Ausdruck. Er schloss die Tür, ging um den Wagen herum, setzte sich hinters Lenkrad und ließ den Motor an. Der leichte Nieselregen hatte von neuem eingesetzt, und er schaltete den Scheibenwischer ein.
»Ich weiß«, sagte er. »Aber wie kommst du darauf?«
12
Vielleicht war er doch nicht so überzeugt von ihrer Unschuld. Der Gedanke war wie eine kalte Dusche, die sie dringend benötigte, um innerlich ein wenig auf Distanz zu gehen. »Ich weiß, dass der Richter... ihn gekannt hat«, verbesserte sie sich. »Er hat grundsätzlich nie die Türen offen gelassen. Ich habe sie jeden Abend kontrolliert, bevor ich zu Bett ging, und er hat niemals auch nur eine einzige Tür unverriegelt gelassen. Er hat das ganz automatisch getan; sobald er ins Haus kam, schloss er ab. Ich nehme an, das hat er sich nach der ersten Morddrohung angewöhnt, als Mrs. Roberts noch lebte. Aber gestern Abend -« oh Gott, es war erst gestern Abend geschehen und doch schien es schon Wochen her zu sein - »war die Haustür unverschlossen.«
»Könnte Zufall sein.«
»Dass er die Tür ausgerechnet an jenem Abend offen lässt, an dem ein Mörder zu Besuch kommt?« Sie sah Cahill abfällig an. »Das ist doch wohl eher unwahrscheinlich. Ich glaube, es war jemand an der Tür, den der Richter kannte und ins Haus gelassen hat. Als ich ihn gefunden habe, saß er mit hochgeklappter Fußstütze in seinem Lehnsessel. Er war ganz entspannt. Er hatte nicht das Gefühl, in Gefahr zu sein. Also muss er den Kerl gekannt haben.«
»Wieso bist du so sicher, dass es ein Mann war?«
Die Frage verschaffte ihr eine kurze Verschnaufpause. »Ich denke, ich verwende den Ausdruck als Oberbegriff. Es ist einfacher, als jedes Mal >der Mörder oder die Mörderin< zu sagen. Und die Häftlinge, von denen die Morddrohungen stammen, waren durch die Bank Männer, darum hat sich bei mir das Bild eines Mannes festgesetzt. Außerdem ist der Spinner, der mir den Anhänger geschickt hat, höchstwahrscheinlich ein Mann, und mein erster Gedanke war, dass er den Richter ermordet hat.«
»Hmm.« Cahill kratzte sich am Kinn, als würde er diese Möglichkeit erwägen. »Hat er sich nochmal mit dir in Verbindung gesetzt? Hat er noch was geschickt? Hat irgendwer angerufen und sofort
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