Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
bißchen näher. Wie sich herausstellte, handelte es sich um zwei völlig eigenständige Verbrechen.»
«Ihr wollt uns sagen, daß die Person, die Wighards Schätze an sich genommen hat, mit dem Mord an Wighard nichts zu tun hatte?» fragte Gelasius erstaunt.
Fidelma nickte. «Ja. Allerdings war uns das anfangs nicht klar, und die irrtümliche Verknüpfung von Raub und Mord stand uns im Wege. In Wirklichkeit hatten sich nämlich Bruder Ronan Ragallach und Bruder Osimo Lando verschworen, um die Schätze, die Wighard von Canterbury nach Rom gebracht hatte, zu stehlen. Sie wollten sie gegen einige sehr wertvolle Bücher eintauschen, die früher einmal in der Bibliothek in Alexandria standen. Wir wissen, daß die Anhänger Mohammeds die alexandrinische Bibliothek und mit ihr einige der kostbarsten Bücher der alten Welt vor etwas mehr als zwanzig Jahren gestürmt und zerstört haben.
Vor etwa einer Woche kam nun ein arabischer Kaufmann nach Rom. Er befand sich im Besitz einiger seltener medizinischer Werke, die auf wundersame Weise vor der Vernichtung gerettet wurden – Werke von Hippokrates, Galen von Pergamon und anderen, Bücher von unschätzbarem Wert, wie es sie nur in Alexandria gegeben hatte. Dieser findige Kaufmann wandte sich an den kundigsten Chirurgus in Rom, einen Mann, der in Alexandria gelebt, studiert und gelehrt hatte und die Stadt hatte verlassen müssen, als sie an die Anhänger Mohammeds fiel. Dieser Mann, wußte der Kaufmann, würde den Wert der Bücher zu schätzen wissen – und natürlich handelte es sich bei diesem Mann um keinen anderen als Cornelius von Alexandria.»
Sie hielt inne. Die anderen schwiegen. Die Kunde von Cornelius’ Verhaftung hatte sich im Lateranpalast bereits herumgesprochen.
«Als Vitalians Leibarzt genoß Cornelius viele Vergünstigungen. Dennoch war er bei weitem nicht wohlhabend genug, um den von dem Araber geforderten Preis zu zahlen. Die Summe, die der arabische Händler von ihm verlangte, überstieg seine Möglichkeiten um ein Vielfaches. Und doch wollte er die Bücher unbedingt haben. Er kannte den Wert dieser großen Werke, die für die zivilisierte Welt für immer verloren gewesen wären, wenn er nicht die Mittel gefunden hätte, sie dem arabischen Kaufmann abzukaufen.»
«Warum ist er mit seinem Anliegen nicht zu uns gekommen?» warf Gelasius ein. «Der Himmel weiß, wir sind immer knapp bei Kasse. Aber irgendwie hätten wir es schon geschafft, diese Werke für die Christenheit zu retten.»
Es war Eadulf, der ihm die Erklärung lieferte. Ohne sich von seinem Platz neben der Tür zu lösen, sagte er mit langsamer, gesetzter Stimme: «Dafür gibt es nur einen Grund – Habgier. Cornelius wollte die Bücher selbst besitzen. Er träumte von unermeßlichem Reichtum, wenn ihm diese Werke erst einmal gehörten. Dabei ging es ihm nicht um Geld, sondern um die kostbaren Werke an sich. Er mußte sie haben, ohne sie mit jemandem zu teilen.»
Fidelma nickte anerkennend und fuhr fort: «Deshalb zog er einen Landsmann, den Alexandriner Osimo Lando, ins Vertrauen. Cornelius spielte bereits mit dem Gedanken, einen reichen Mann zu bestehlen, um die Bücher kaufen zu können. Osimo, der als sub-praetor im Amt für ausländische Angelegenheiten tätig war, erfuhr aus erster Hand, welche ausländischen Würdenträger nach Rom kamen und welche Schätze sie bei sich führten.
Der Zufall wollte es, daß Wighard wenige Tage zuvor mit seinem Gefolge angekommen war und wertvolle Geschenke mitgebracht hatte, welche die Forderungen des arabischen Kaufmanns mit Sicherheit hätten befriedigen können. Gemeinsam beschlossen sie, diese Geschenke in ihren Besitz zu bringen. Vielleicht handelte Osimo in der Überzeugung, daß es gottgefällig sei, die wertvollen Bücher vor den Ungläubigen zu retten. Und wahrscheinlich hatte ihm Cornelius auch nicht erzählt, daß er die Bücher als seinen persönlichen Besitz betrachten würde.»
Als sie ihre verblüfften Gesichter sah, hielt sie lächelnd inne und fuhr nach kurzem Schweigen fort: «Osimo Lando hatte einen engen Freund, Bruder Ronan Ragallach. Osimo überredete Cornelius, seinen Freund in ihr Vorhaben einzuweihen. Drei Köpfe seien klüger als einer oder zwei. Sie beschlossen, Wighard im Schlaf auszurauben, und Ronan erklärte sich bereit, das domus hospitale auszukundschaften und einen entsprechenden Plan zu schmieden …»
«Das war an dem Abend vor Wighards Tod», ergriff Furius Licinius das Wort. «Fast hätte ich ihn erwischt, wie
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