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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Billard. Jeder gegen jeden, ein Satz.» Zu Zumpe gewandt: «Da liegt Bleistift und Papier, mach mal schnell Lose, damit wir sehen, wer gegen wen spielen muß, also in welcher Reihenfolge.»
    Nach einigem Hin und Her stand fest, daß Kuhring gegen Zumpe beginnen mußte. Nach ein paar Bällen zum Aufwärmen legten sie los. Olscha spielte am Flipper-Automaten herum, Brockmüller machte den Schiedsrichter. Die Stimmung war gut.
    War’s der Schnaps, war’s ein falscher Impuls im Großhirn, jedenfalls fand Brockmüller die ganze Szene höchst unwirklich. Sie spielten hier – und jeden Augenblick konnte etwas geschehen – etwas Entsetzliches, Tödliches. Und sie – sie steckten den Kopf in den Sand…
    Es passiert bestimmt noch was.
    Er sah, welche Freude Kuhring daran hatte, Zumpe von der einen Ecke der Platte zur anderen zu hetzen und dann mit gelungenen Schmetterbällen Punkt um Punkt zu machen. Nur ein Spiel? Es war mehr; Zumpes verzerrtes Gesicht bewies es.
    Brockmüller spürte den Haß, den Zumpe gegen Kuhring empfand. Zu verdenken war’s ihm nicht. Wenn Brockmüller richtig informiert war, und das war er meistens, dann hatte Kuhring 1971 verhindert, daß Zumpe in Osnabrück Werksdirektor gewesen war – ein Traumziel für jeden, der als kleiner Ingenieur gestartet war. An seine Stelle hatte er einen Spezi in den Sattel gehievt, von dem er Unterstützung erwartete, wenn’s um die in zwei Jahren freiwerdende Stelle des fünften Vorstandsmitgliedes ging.
    Zumpe verlor 14:21. Er verlor immer gegen Kuhring.
    Sie spielen hier, dachte Brockmüller, und irgendwo…
    Es passiert bestimmt noch was!
    In seinem linken Ohr rauschte es; für Sekunden war ihm schwindlig. Vielleicht lag’s am Schnaps.
    Er fing sich wieder, als er gegen Olscha spielen mußte und mit drei Punkten Vorsprung gewann, ebenso wie anschließend gegen Zumpe.
    «Los, auf zum Endkampf!»
    Kuhring, der nach Zumpe auch Olscha geschlagen hatte, wartete schon.
    «Du schwitzt ja jetzt schon?» lachte Brockmüller. «Hast du Angst?»
    «Macht nichts, ich bade nachher!»
    Brockmüller fühlte sich zwar hundsmiserabel, aber als ehemaliger Turnierspieler hatte er keine Schwierigkeiten, Kuhring wie einen Anfänger herumhüpfen zu lassen. Bald führte er 9:1, und die alten Tricks gelangen alle. Doch dann begriff er wieder, daß dies mehr war als ein Spiel.
    Kuhring war krankhaft auf Siege fixiert, brauchte das Gefühl der Überlegenheit wie andere ihr Rauschgift; Kuhring deklarierte den zu seinem Todfeind, der ihn verlieren ließ… Aber zugleich mit dem Vorsatz, dieses Match zu verlieren, wurde ihm schlagartig klar, wie sehr auch er diesen Kuhring haßte.
    Während er ihn Punkt um Punkt aufholen ließ, reflektierte er mit seiner wissenschaftlichen Pedanterie, warum er Kuhring haßte.
    Erstens hatte Kuhring mit einer fadenscheinigen Begründung die Veröffentlichung seines besten Artikels verhindert (Die Chancen des Management by Objektives in der E UROMAG ), womit er auch die letzten Universitätsträume begraben konnte.
    Zweitens ließ ihn Kuhring tagtäglich spüren, daß ein Wort von ihm genügte, um ihn auf die Straße zu setzen – fachliche Inkompetenz, keine sachliche Zusammenarbeit möglich usw. Dann war das Kind da – und er arbeitslos…
    Drittens nützte Kuhring jede Gelegenheit, um ihm unter die Nase zu reiben, daß er Annelie schon lange gekannt hatte, und wie weit diese Bekanntschaft ging, bevor ein gewisser Bodo Brockmüller in ihr Leben getreten war.
    Viertens schließlich hatte Kuhring ihn verführt, seine Späße mit Ossianowski zu treiben, denn Kuhrings Gunst bedeutete Sicherheit und Aufstieg. Was hatte er nicht alles angestellt, um Kuhring zum Lachen zu bringen, ihn heiter zu stimmen! Und das meiste auf Owis Kosten.
    Vier Wunden, eine brennender als die andere.
    «18:17 für mich!» rief Kuhring. «Aufschlagwechsel.»
    Kuhring schlug auf. Immer muß er gewinnen, dachte Brockmüller, immer muß er andere quälen. Der Klare, den ich getrunken habe, läßt mich alles klarer sehen.
    Ein Schmetterball. Ins Aus. 19:18 für Kuhring. 20:18. Dann paßte Brockmüller nicht auf und setzte den Ball mit einem weichen Rückhandschlag direkt hinters Netz, wo er obendrein noch von der Tischkante wegrutschte. 20:19.
    In Brockmüller verkrampfte sich alles; er kämpfte gegen seinen Haß an und merkte, daß es sinnlos war.
    Dann hatte er endlich verloren.
    Kuhring war ausgelassen, fröhlich, herzlich, gönnerhaft. «Beim nächstenmal, mein Lieber! Die

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