Ein Toter fuehrt Regie
frühstücken wir erst mal.»
Ehe Zumpe antworten konnte, bimmelte das Telefon. Er riß den Hörer hoch.
«Sondergruppe für Systemplanung, Zumpe… Ja, ja… Mein Gott… Danke.» Er legte auf.
«Was ist?» fragte Brockmüller.
«Die Wohnung ist leer. Keine Spur von Kuhring.»
Gaby begann zu weinen, und Brockmüller streichelte sie, legte ihr den Arm um die Schultern. Wie damals… Es erregte ihn.
Zumpe starrte aus dem Fenster, als hätte er noch nie Bauarbeiter gesehen. Sekunden vergingen. Minuten. Zumpe preßte die Stirn gegen das kühle Glas. Brockmüller versuchte, Gaby zu beruhigen und machte ein Liebesspiel daraus.
Nimm sie, setz dich mit ihr in ein Flugzeug, fang irgendwo anders ein neues Leben an…
Draußen lachten die Bauarbeiter; krachend flogen Steinbrocken in den Krater.
Sie schreckten erst hoch, als draußen die Tür aufgeschlossen wurde und Kuhring im Schreibzimmer stand: dröhnend, vital, ein strahlender Held.
«Mensch, was ist denn hier los!? Hat Annelie ‘ne Fehlgeburt gehabt…?»
Zumpe fuhr herum. «Wir dachten, du…»
«Ich? Was soll ich?»
«Daß Owi…»
«Mich? Dieser krächzende Eunuch? Na! – Nee, ich war beim Arzt. Mein Heuschnupfen… War ja nicht mehr zum Aushalten. Soviel Tempotaschentücher gibt’s ja gar nicht. Er hat mir ‘ne Spritze Volon A 40 verpaßt, und jetzt ist es schlagartig besser… Kommt, Kinder, macht Frühstück, ich hab Hunger!»
«Gott sei Dank», sagte Zumpe.
«Ja…» fügte Brockmüller hinzu.
Der überlebt uns alle.
Über die Strategien, die Kuhring zum Überleben entwickelt hatte, ließen sich zwei Habilitationsschriften verfassen.
Wenig später hatte Gaby das getan, was die Männer in allen großen Organisationen, gleich ob leitende Angestellte oder höhere Beamte, von ihren Sekretärinnen erwarteten: Kaffee gekocht – beziehungsweise Gesundheitstee für die Magenkranken. Brockmüller formulierte es so: Der Weg der deutschen Frau: Vom heimatlichen Herd zum dienstlichen Heißwasserspeicher. Immer im Dienst des deutschen Mannes. Blüh im Glanze dieses Glückes.
Scheiße, alles Scheiße!
Was ging ihn Gaby an – der Teufel sollte sie holen! Aber er sah seine Tochter – er war überzeugt, daß es eine Tochter werden würde – auch schon Kaffee kochen. Womöglich für den Generaldirektor Karl-Heinz Kuhring.
Sie saßen am linken Ende des großen Konferenztisches. Kuhring natürlich an der Stirnseite, wie es sich für einen Vorsitzenden gehörte. Zumpe und das Mädchen links von ihm, Brockmüller rechts. Kaffee für Kuhring, Pfefferminztee für Zumpe und Gaby, koffeinfreier Kaffee für Brockmüller.
Kuhring war froh gestimmt und erzählte von seinem letzten Urlaub auf der Insel Ägina, zwei Schiffsstunden von Athen entfernt.
«Das Wasser – Klasse! Und nach Athen nur ein Katzensprung. Akropolis, Piräus – muß man gesehen haben. Oder Delphi…»
Er hatte sich so viele Brote geschmiert, daß Brockmüller meinte, davon könnte eine Negerfamilie in Harlem eine ganze Woche lang leben.
«Wer hart arbeitet, muß viel essen… In Olympia, da hätt ich beinahe Prügel bezogen. Ich komm da an – drei Stunden Busfahrt, völlig verdreckt – und will ein Bad haben. Okay. Eine dicke Griechin schlurft herbei und zeigt mir das Badezimmer. Alles in Ordnung. Sie haut ab, und ich will das Wasser einlassen. Aber das geht nicht: Der Stöpsel fehlt. Weit und breit kein Stöpsel…» Er machte eine rhetorische Pause, um sich die Nase zu schnauben – laut, rücksichtslos. «Mensch, das stinkt ja hier nach Teer!» Ein zweites Tempotaschentuch. «Na, ich also geklingelt. Kommt ein Zimmermädchen – phantastisch gebaut, versteht aber kein Wort Deutsch. Sie traut sich gar nicht ins Bad, wir stehen draußen auf dem Gang, und ich will ihr klarmachen, daß der Stöpsel an der Badewanne fehlt. Ich mach also mit der linken Hand eine Öffnung – so…» Er machte es vor. «… und zeig ihr mit dem rechten Zeigefinger, daß da was verstopft werden soll… Da rennt sie schreiend davon, und ihr Macker kommt und will mich verprügeln – der dachte, ich wollte mal schnell mit ihr…»
Schallendes Gelächter.
Kuhring genoß seine Entertainerrolle.
Brockmüller lachte mit.
Das sind doch eigentlich alles ganz nette Leute hier… Was willst du eigentlich? Sei froh, daß du zu ihnen gehörst…
Kuhring war ein Kumpel, mit dem man Pferde stehlen konnte, und Zumpe war auch schwer in Ordnung. Klar, daß der bei einer Frau wie seiner ab und zu mal durchdrehte.
Du
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