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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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gehörst hierher, ganz klar.
    Obwohl er keinerlei Alkohol intus hatte, war er bereit, Zumpe und Kuhring zu umarmen. Bloß nicht immer isoliert sein… So hatte der Fall Owi doch noch sein Gutes: er schmolz sie zu einer Einheit zusammen. Brockmüller war glücklich. Er hatte eine neue Heimat gefunden. Von jetzt ab: Solidarität statt Konflikt… Er wunderte sich ein wenig über diesen Stimmungsumschwung. Er wußte auch, daß es nicht anhalten würde. Aber im Augenblick empfand er es so.
    Morgens um 10 Uhr 47 ist die Welt noch in Ordnung.
    «Mensch, ich hab ja meine Vitaminpille vergessen!» Kuhring sah Gaby an. «Ob du mal… Rechts oben in meinem Schreibtisch.»
    «Ja, Momentchen…» Gaby lief aus dem Konferenzzimmer und brachte ihm die Packung.
    Kuhring nahm sie in die Hand und las wie ein Mensch vom Werbefernsehen. «NEDO-Vit ist lebenswichtig und unentbehrlich für das Fortbestehen des menschlichen Organismus… Na, bitte! N EDO -V IT behebt Vitaminmangelstörungen – schönes Wort! – bei körperlicher und geistiger Anspannung. Kann ich euch auch nur empfehlen. Mensch, und was da alles drin ist, Vitamin B6-hydrochlorid sogar – wenn das nichts ist!»
    Er drückte eine der großen bräunlichen Kapseln aus der Plastikhülle, steckte sie in den Mund und spülte sie mit etwas Kaffee hinunter.
    Damit war die Frühstückszeremonie beendet, und Gaby zog sich, nachdem sie das Geschirr abgeräumt hatte, in ihr Schreibzimmer zurück, während Kuhring, Zumpe und Brockmüller über die Idee diskutierten, die Donnersmarck ihnen neulich so sehr ans Herz gelegt hatte: eine repräsentative Umfrage unter allen Kunden, was sie an der E UROMAG am meisten störte – zu lange Bearbeitungszeiten ihrer Aufträge etwa, ungünstige Lage der Auslieferungslager, unfreundliche Sachbearbeiter – und so weiter. Wenn wir das wissen, können wir gezielt Maßnahmen ergreifen.
    «Ja», sagte Kuhring, «und nun ist die Kacke am Dampfen. Wir müssen Fragen formulieren, das billigste Institut herausfinden, das die Interviews macht, und so weiter… Leute mit Ideen vortreten!»
    Brockmüller, froh darüber, daß endlich mal sachlich gearbeitet wurde, dozierte über den Aufbau eines Fragebogens – Erinnerungen an das dritte Semester und sein Marktforschungspraktikum. Er warf nur so um sich mit Fachausdrücken: Omnibusbefragung, offene und geschlossene Fragen, Quotenauswahl, Signifikanzniveau, Interviewerfehler.
    Zumpe dagegen versetzte sich in die Rolle eines Kunden und überlegte, was man alles so an Beschwerden und Problemen vorbringen konnte. Kuhring schrieb alles mit.
    Kurzum, die Sache lief.
    Sie mochten eine knappe Stunde diskutiert haben, da faßte sich Kuhring plötzlich an den Kopf.
    «Mensch, ich hab solche Kopfschmerzen, ich weiß nicht…» Sein eben noch sonnengebräuntes Gesicht war auf einmal grünlich. Er sprang auf und taumelte.
    «Mein Gott, was ist denn!» Zumpe griff zu, um ihn zu stützen.
    «Vielleicht die Spritze…?» Brockmüller hatte Kuhring auf der anderen Seite gepackt.
    «Nein, nein», keuchte Kuhring, «die krieg ich ja jedes… Jahr…» Er krallte die Finger in den Stoff seines Sessels. In Todesangst würgte er hervor: «Ins… Krankenhaus – schnell!»
    Zumpe lief zum Telefon und rief die Feuerwehr an. 112. «Sie kommen sofort.»
    Gaby kam herein, begriff sofort und rannte in die Küche hinauf, um ein Glas Wasser zu holen. Kuhrings Lippen waren blutlos und zitterten, als er zum Trinken ansetzte.
    «Bleib ruhig!» sagte Zumpe. «Sie sind gleich da. Im Krankenhaus…»
    Weiter kam er nicht, denn Kuhring wurde derart von Krämpfen geschüttelt, daß sie ihn in den Sessel fallen lassen mußten.
    Ich kann das nicht mitansehen.
    Brockmüller riß alle Türen auf, damit die Leute vom Rettungsdienst schneller reinkamen, und er rief dem Polizisten draußen zu: «Hier hat einer einen Herzanfall erlitten. Wenn der Krankenwagen kommt, winken Sie ihn ein, damit’s schneller geht!»
    Als er zurückkam, wand sich Kuhring in Krämpfen, rang mit blaurot angelaufenem Gesicht nach Luft, schrie immer wieder: «Helft mir doch, Ulli, Bodo… Helft mir!»
    Zumpe erbrach sich in der Ecke über dem Telefontisch.
    Gaby riß die Fenster auf.
    Brockmüller wischte Kuhring den Schweiß von der Stirn, band ihm die Krawatte ab, öffnete den Hemdkragen.
    Der kommt nicht durch.
    Brockmüllers Gefühle waren so widersprüchlich, daß er sich nur mit äußerster Kraft aufrecht halten konnte. Es war entsetzlich, und er litt mit Kuhring. Aber

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