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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Kreis um den Ort, an dem
wir uns befanden: Bagneux, an der Grenze zu Sceaux. Ich prägte mir den
kürzesten Weg zur nächsten Metrostation ein und trank mein Glas aus.
    „Wiedersehn“, sagte ich und winkte dem armen
Kerl freundlich zum Abschied zu.
    „...i.. e.. ä“, gab er zurück.
    „A, e, i, o, u“, verbesserte ich ihn.
    Draußen orientierte ich mich kurz und lief dann
zur Metrostation. Der Weg mußte dringend von einem Trupp arbeitswütiger,
bärenstarker Straßenarbeiter überfallen werden. Der Regen hatte diesen
Außenbezirk von Paris unter Wasser gesetzt. Und schon wieder drohte der Himmel.
Ich ging den Wagenspuren aus dem Weg und wanderte in der Mitte entlang.
    Plötzlich hupte jemand hinter mir und zwang
mich, auf die Seite zu springen. Der kleine Lastwagen, der an mir
vorbeirumpelte, verteilte einen großen Teil seiner Ladung — sah nach Mehl oder
Gips aus — auf dem Weg, so heftig wurde er hin und her gerüttelt. Viel würde er
bei seiner Ankunft nicht mehr geladen haben. Einen Augenblick lang hatte ich
daran gedacht, den Fahrer zu bitten, mich zur Metrostation mitzunehmen. Aber er
war so verdreckt — ich meine den Wagen — , daß ich mir das sofort wieder aus
dem Kopf schlug. Außerdem bog der schwankende Wagen nach rechts in die Straße
ein, während ich mich links halten mußte.
    Allerdings bewahrte das meine Hose nicht davor,
versaut zu werden. Ich rutschte auf den letzten Metern aus und legte mich der
Länge nach in den Schlamm.
    Zum Glück hatte ich jetzt ein paar Francs, um
meine Garderobe aufzurüsten.

Dumonteil, die treulose Tomate
     
     
    Die Uhr der Gare de Luxembourg zeigte halb neun,
als ich aus der Metro an die Oberfläche stieg. Um neun öffnete ich die Tür zu
meinem Büro. In einem Sessel versunken, ein Buch auf den Knien, eine Zigarette
im Mund, so wartete Hélène auf mich. Mehrere Abendzeitungen lagen verstreut auf
dem Boden.
    „Nett von Ihnen, daß Sie noch hier sind“, sagte
ich zu ihr. „Die Neugier hat mich zurückgehalten“, erklärte sie ihren
Arbeitseifer.
    „Werd versuchen, Sie und Ihre Neugier zu
befriedigen. Aber erst einmal...“
    Ich zog das Bündel Geldscheine aus meiner Tasche
und gab ihr fünf davon.
    „Das ist fürs Taxi von eben nebst einem Vorschuß
für den Fall, daß ich wieder mal blank bin.“
    „Was für eine Familie!“ seufzte Hélène und
steckte das Geld ein. „War der Herr Papa so froh, seinen Sohn loszusein, daß er
Ihnen dessen Erbteil vermacht hat?“
    „Nein. Er hat mir den Auftrag erteilt, Roland zu
rächen.“
    „Roland zu rächen? Dann denken Sie also doch an
ein Verbrechen?“
    „Ich denke an gar nichts, außer an den
Aufschwung unserer Agentur und an die Freude von Mademoiselle Hélène Châtelain
beim Kauf von Unterwäsche, die ihr Chef nicht mal bewundern darf... Auch wenn
wir an der Unfallthese festhalten, gibt es doch Schuldige. Die nämlich, die dem
Jungen das Rauschgift verkauft haben.“
    „Stimmt.“
    „Nun, ich hab dem Alten klargemacht, daß er sich
nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen darf.“
    „Sie haben mit seinem Kummer und seinem Stolz
gespielt, Sie gemeiner Kerl!“
    „Geben Sie mir sofort das Geld zurück!“
    „Nein. Sie haben sehr ritterlich gehandelt.“
    „Klingt schon besser. Flauvigny hat sich meiner
Sichtweise angeschlossen und mich damit beauftragt, den Verantwortlichen für
den Tod seines Sohnes auf die Pelle zu rücken und sie ein wenig zu piesacken.“
    „Was Ihnen ja nicht schwerfallen wird bei den
Leuten im Antinéa.“
    „Nein. Falls es um die geht.“
    „Falls es um die geht?“ fragte Hélène erstaunt.
„Weht denn der Wind nicht ausschließlich aus dieser Richtung?“
    „Es gibt noch andere Winde auf der Welt als den
Samum. Da ist zum Beispiel der Mistral, der...“
    „...Pampero, der Tramontana, der Schirokko und
der Blizzard“, sagte Hélène lächelnd. „Ich weiß. Und dazu noch die, die ich
vergessen habe. Aber schließlich habe ich kein Abitur...“
    „Das war gar nicht schlecht für den Anfang“,
lobte ich sie. „Und Reboul?“
    „Reboul hat Abitur. Man ist hier sehr gebildet
in der Agentur Fiat Lux.“
    Sie wurde wieder ernst.
    „Reboul ist vor ein paar Minuten weggegangen.
Hat nichts Besonderes rausgekriegt. Hier, sein Bericht.“
    Sie nahm ein Blatt Papier in die Hand und las:
    „Mercadier ist seit einiger Zeit nicht mehr
tätig. Hatte zuviel Dreck am Stecken. Büro geschlossen. Anderweitig vermietet.
Bin um seine Privatwohnung rumgeschlichen. Hab ihn in

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