Ein Toter hat kein Konto
schweren Klopfer und ließ ihn geräuschvoll fallen. Am
Guckloch klapperte es.
„Privatclub!“ rief der Rausschmeißer von innen.
„Clubmitglied!“ rief ich zurück.
Sesam öffnete sich. Der Portier trug einen
schwarzen Anzug und einen grauen Fes. Ich reichte ihm die Mitgliedskarte. Er
suchte die Nummer in einer Liste, die auf einem kleinen Tischchen lag, fand
sie, reichte mir das Kärtchen wieder zurück und verbeugte sich. Die Garderobe
befand sich in einer Nische und wurde von einem Mädchen betreut, einem trotz
Kriegsbemalung ansprechenden Wesen. Ich gab ihr meinen Mantel und meinen Hut.
Daraufhin geleitete mich der Portier — seine Absätze knallten auf den glänzenden
Fliesenboden — zu einem Vorhang mit geometrischen Figuren. Er schob ihn zur
Seite, und zum Vorschein kam eine der halsbrecherischsten Treppen, die ich je
gesehen hatte. Ich stieg hinunter. Hinter mir fiel der Vorhang. Ein angenehmer
Wohlgeruch Arabiens kitzelte meine Nase, und disharmonische Klänge quälten
meine Ohren.
Ich gelangte in ein weiträumiges Kellerlokal,
das in ein diffuses Licht getaucht und so dekoriert war, wie man sich den
Innenhof eines muselmanischen Palastes vorst’ellt. Um verschnörkelte
Kupfertischchen saßen eine Menge Leute auf Sitzkissen und niedrigen Sofas
herum. Ein kleiner Springbrunnen stand in der Mitte, ohne jedoch auch nur einen
Hauch von Kühle zu spenden. Es herrschte eine Temperatur wie in der Sahara.
Auf einem winzigen Podium hockten, den
unvermeidlichen Fes auf dem Kopf, in weißen Gewändern, wie Bündel sauberer
Wäsche, die Musiker — Made in Algeria — und bearbeiteten wie rasend die
Ziegenhaut kürbisförmiger und anderer Instrumente. Dazu summten sie mit
geschlossenem Mund eine sehnsüchtige Melodie. Die Gruppe bildete die
musikalische Begleitung einer verschleierten Frau, deren Oberkörper von einer
Art silbernem Panzer geschützt, deren Bauch dagegen von dem bunten Rock
überhaupt nicht verborgen wurde. Zur allgemeinen Freude, wie es schien, führte
sie einen Original-Bauchtanz vor. Dabei ließ sie ihren Nabel, der so groß war
wie ein Fünffrancsstück, die unwahrscheinlichsten und atemberaubendsten Sprünge
vollführen. Am Schluß der Vorstellung würde sie ihn als Höhepunkt wahrscheinlich
verschlucken.
Ein Kellner führte mich zu einem freien Platz.
Ich bestellte einen Pfefferminztee. Die Tänzerin schwang gerade so heftig ihren
Bauch von Ost nach West, daß ich sie schon als silberroten Ballon zur Decke
entschweben sah. Die Musiker kreischten ein letztes Mal auf, Fatima brachte
ihren Bauch in Normalstellung und zog sich unter Beifall, Geheule und
verschiedenartigen Schreien hinter die Bühne zurück.
Es wurde heller. Die musikalischen Wäschebündel
rückten zum Bühnenrand vor und fingen wieder an, frenetischer noch als zuvor,
ihre Instrumente zu bearbeiten. Am Nebentisch sprach ein Freund orientalischer
Folklore von Kamelen oder beschimpfte seinen Nachbarn als solches, ich weiß es
nicht. Ein anderer bestellte einen Raki. Ich folgte seinem Beispiel, denn der
Pfefferminztee sagte mir nach einigen langen Schlucken und kurzen Überlegungen
doch nicht so zu.
Ich warf einen Blick aufs Publikum. Die Sammlung
komischer Vögel hätte den Direktor des nahen botanischen Gartens vor Neid
erblassen lassen: Tauben saßen da, Fasane, Hühner usw. usf. Ab und zu
verschwand ein Gast hinter ein und demselben Vorhang mit Rautenmuster links vom
Podium.
Von all den Leuten interessierten mich besonders
zwei Männer. Einer von ihnen stand neben der Bühne und plauderte gerade in der
Pause mit einem der Musiker. Es war der Araber, den ich von Alis Wohnung aus
hierher verfolgt hatte.
Der andere saß zusammengesunken vor einem Glas,
das er mit finsterem Blick fixierte, und hieß Andréjol. Er war Inspektor der
Kriminalpolizei und für seinen Übereifer im Dienst bekannt. Bestimmt saß er
nicht hier, um sich in die Künste des exotischen Tanzes einführen zu lassen.
Sein abgestumpfter Gesichtsausdruck war hervorragend geschauspie-lert.
Ich dachte noch über die Gründe für die
Anwesenheit des Flics nach, als ich Dumonteil eintreten sah.
Mit seinem ungesunden Teint wirkte er kaputter
denn je. Er ließ seine müden, fiebrigen oder unruhigen Augen — ich konnte es
nicht genau erkennen — über die Gäste wandern. Ich winkte ihm unauffällig zu,
so im Stile bekannter Geheimbünde, woraufhin er mich bemerkte. Offenbar machte
ich den gleichen Eindruck auf ihn wie ein Steuereintreiber, so sehr
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