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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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verdüsterte
sich sein Gesicht. Dann, ohne Übergang, hellte es sich wieder auf. Vielleicht
ähnelte ich tatsächlich seinem Sachbearbeiter im Finanzamt, und er hatte mich
verwechselt. Lächelnd kam er auf mich zu.
    „Na?“ begrüßte ich ihn leicht vorwurfsvoll, gab
ihm die Hand und machte ein wenig Platz auf meinem Kissen. „Sie sind wohl so
einer wie Louis XIV., was? Der hat nämlich auch nicht gerne gewartet. Dabei
komme ich nie mehr als zwanzig Minuten zu spät!“
    „Ich weiß nicht, ob Sie sich verspätet haben“,
erwiderte er mit einer Stimme, die seine Erregung nicht ganz verbergen konnte,
„weil ich nämlich nicht zu Hause war. Ich mußte zu einem Bekannten und...
Sagten Sie, ich würde nicht gerne warten? Das stimmt nicht! Gerade habe ich
lange gewartet, und das auch noch für die Katz! Dann bin ich bei mir zu Hause
vorbeigegangen, für den Fall, daß Sie vor meiner Tür warteten.“ Der Kellner
kam, nahm die Bestellung auf und verschwand wieder.
    „Haben Sie Mademoiselle Joëlle nicht
mitgebracht?“ fragte ich Dumonteil.
    „Das geht doch nicht“, erwiderte er.
    „Allerdings nicht...“ Ich sah mich in dem Lokal
um und bemerkte: „Ganz nett hier, was?“
    „Wie zum Teufel, sind Sie hier hereingekommen?“
fragte er.
    Ich legte meinen Zeigefinger auf meinen Mund.
    „Ich bin Detektiv“, flüsterte ich.
    „Stimmt.“
    Er lachte gekünstelt.
    „Haben Sie Roland gesehen?“ fragte er mich.
    „Nein. Ist er hier?“
    Er blickte sich noch einmal um.
    „Nein.“
    „Sehen Sie sich mal den Kerl da neben dem Podium
an, Typ Pigalle“, forderte ich ihn auf. „Kennen Sie ihn? Irgendwie kommt er mir
bekannt vor.“
    „Er ist einer der Betreiber“, sagte Dumonteil
nach einem prüfenden Blick. „Aber fragen Sie mich nicht nach seinem Namen.
Wissen Sie, diese komplizierten arabischen Namen...“
    Heute nachmittag war der Mann mit den vielen
Ringen an den Händen nervös gewesen und gleichgültig gegenüber allem, was sich
um ihn herum abspielte. Jetzt spürte er, daß er Gegenstand unserer
Aufmerksamkeit war, und ich begegnete seinem schwarzen Blick, der uns streifte.
Kein Muskel bewegte sich in seinem Gesicht. Er ließ etwa eine Minute
verstreichen, dann verschwand er hinter dem buntgemusterten Vorhang. Wenig
später kam er, noch genauso lässig und undurchdringlich, zurück. Bei ihm war
ein folkloristisch gekleideter Landsmann, der uns kurz musterte und seinem
Freund etwas zuflüsterte. Dieser schüttelte den Kopf und ging wieder durch die
Tür hinter dem Vorhang hinaus. Der Folkloristische bahnte sich einen Weg durch
die Gäste und kam auf uns zu.
    Ich glaube nicht, daß Dumonteil damit etwas zu
tun hatte. Seit wir uns hier begegnet waren, starb er vor Ungeduld, sich mir
entziehen zu können, wußte nur nicht so recht, wie er es anstellen sollte. Ohne
sich eine passable Ausrede zurechtgelegt zu haben, stand er auf. Der dekorative
Araber blieb zwischen einer Platinblonden und einem dicken Fettkloß stehen.
    „Ich muß...“ stammelte Dumonteil. „Ich bin
sofort wieder zurück.“
    Ich tätschelte ihm die Hand.
    „Natürlich“, sagte ich väterlich. „Sie sind doch
nur deshalb hierhergekommen, oder?“
    „Was meinen Sie damit?“
    „Gehen Sie schon und rauchen Sie Ihre zwei
Pfeifchen“, forderte ich ihn statt einer Antwort auf. „Glauben Sie, ich hätte
nicht verstanden? Sie sind heute abend nicht der erste, der durch dieses Loch
da verschwindet.“
    „Verdammt nochmal!“ fauchte er. „Was geht Sie
das an?“
    „Absolut nichts.“
    Er bewegte sich in Richtung Vorhang. Der Araber
mit der malerischen Tracht folgte ihm. Ich goß fast 3 cl Raki in mich hinein.
    Die Musikgruppe verstummte, und eine zweite
Schöne betrat die Bühne. Verschleiert wie die erste, aber um den Bauch herum
weniger entblößt, fing sie an, mittels einer Zither und einer hübschen, tiefen
Stimme die Sehnsucht der Wüste unseren Herzen nahezubringen. Es klang so echt,
daß ich mehr Durst bekam und mir gerne noch einen Raki genehmigt hätte. Doch
das hätte böse ausgehen können, und zwar nicht nur für meine Leber. So begnügte
ich mich damit, mit dem Rest meines Glasinhalts zu gurgeln.
    Der Flic der Kripo hatte sich noch nicht bewegt.
Offenbar waren ihm die Fatimas schnurzegal. Er war so gut wie eingeschlafen.
Und das im Dienst, bei seinem Übereifer! Ein starkes Stück! Ich ging zu ihm und
setzte mich aufs Nachbarkissen. Er fuhr auf, fixierte und erkannte mich und
stieß unartikulierte Laute aus. O... a... u...

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