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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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a... oder so ähnlich. Ich faßte
es als einen Willkommens grüß in einer mir nicht bekannten Geheimsprache auf.
    „Das reicht jetzt aber!“ rief ich lachend. „Hab
mich heute schon einmal mit einem Stummen unterhalten.“
    Er bemühte sich, etwas deutlicher zu
artikulieren.
    „Mit einem Stummen?“ fragte er nach. „Sie haben
sich mit einem Stummen unterhalten? ... Sind Sie sicher, daß Sie keine
Halluzinationen haben?“
    „Glaub ich nicht. Obwohl... Schließlich ist das
die Spezialität des Hauses: Halluzinationen.“
    „Ach, Sie wissen Bescheid?“
    „Tja... Nein.“
    „Ja oder nein?“
    „Ich weiß, und ich weiß auch wieder nicht“,
klärte ich ihn auf.
    Er lachte mürrisch.
    „Ich jedenfalls bin mir sicher, daß ich keine
Halluzinationen habe. Die Antwort ist typisch Nestor Burma.“
    „Ich bin der Leutnant von Saint-Avit“, sagte
ich.
    „Kenn ich nicht.“
    „Und Antinéa ? Erinnern Sie sich... Der
Film von Feyder... Napierkowska, die ihre Liebhaber mit einem Busenschlag zu
töten pflegte...“
    „Wie ich schon sagte, Sie haben
Halluzinationen... Ich übrigens auch.“
    „Sie auch?“
    Vor allem hatte er einen in der Krone! Mit
zitterndem Finger zeigte er auf sein Glas.
    „Ja, da drin“, sagte er.
    „Ach, das ist nichts“, beruhigte ich ihn.
„Machen Sie sich keine Sorgen! Ich kenne das. So ein Glas ist nicht groß, aber
es hat’s in sich.“
    „Was hat es in sich?“
    „Alles. Seil tanzende Seepferdchen, Elefanten im
Korsett von Marie-Rose Lebigot... und Ratten... viele dicke fette Ratten.“
    Er beugte sich zu mir herüber und versetzte mir
einen kräftigen Schlag auf die Schulter.
    „Machen Sie sich nicht lustig, Burma... Burma,
Nestor...“ Er vertiefte sich in irgendwelche Gedanken. Plötzlich tauchte er
wieder auf und nahm meine Hand. Seine war feucht.
    „Was suchen Sie hier?“ fragte er.
    „Eine Privatangelegenheit.“
    „Ja, ja, verstehe... Und der Stumme? Auch
privat?“
    „Vollkommen zurückgezogen.“
    „Machen Sie sich nicht lustig, Burma. Vorort?“
    Ein schönes Spielchen!
    „Roter Vorort.“
    Er lachte.
    „Roter Vorort! Ja, ja...“
    Er schwieg. Das Orchester tat das Gegenteil.
Hemmungslos begleitete es die Sängerin.
    „Machen Sie sich nicht lustig, Burma. Alles nur
angemalt.“
    „Der Stumme?“
    „Nein, das Glas.“
    „Ein trompe-l’oeil, nicht wahr? Man sieht
zwei Gläser, direkt nebeneinander.“
    „Machen Sie sich nicht lustig, Burma“,
wiederholte er zum x-ten Mal.
    Verschwommen sah er mich an. Schweiß perlte auf
seinen Schläfen. Ich machte mich nicht lustig. Mir war überhaupt nicht zum
Lachen zumute. Ihm auch nicht. Ich kapierte... und bekam Schiß. Der Flic neben
mir war nicht normal betrunken. Nun ist ein Flic so etwas wie ‘ne heilige Kuh.
Ich will damit sagen: Man krümmt ihnen nicht ungestraft ein Härchen. Wenn
solche Regeln seine eventuellen Gegenspieler einen Dreck kümmerten...
    „Brauchen Sie vielleicht frische Luft?“ fragte
ich Andréjol. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Mit seiner feuchten
Hand über seine nicht weniger feuchte Stirn.
    „O ja, verdammt! Hauen wir ab!“
    Er wollte aufstehen, versank aber nur noch
tiefer in seinem Kissen. Um uns herum wurde weiter gelacht und gescherzt.
    Wie aus dem Boden gewachsen, stand plötzlich ein
junger Araber vor mir und sah mich mit den Augen einer Tempeltänzerin an. Er
verbeugte sich und sagte:
    „Monsieur Dumonteil möchte Sie sprechen.“
    Ich sah den schönen Jüngling an, dann Andréjol.
Der Flic schien zu schlafen. Ich wandte mich wieder dem Araber zu. Er lächelte.
    „Wo?“ fragte ich.
    Er machte eine vage, zu vage Geste.
    „Im Hinterzimmer.“
    „Bedaure, aber man hat dieses Kissen mit
Klebstoff eingeschmiert. Wenn Monsieur Dumonteil mir etwas mitteilen möchte,
muß er schon hierherkommen.“
    „Selbstverständlich.“
    Immer noch lächelnd, verbeugte sich der Junge
wieder und entfernte sich. Ich sah ihm hinterher. Die Pumphose, in der drei
Nachfahren von Aga Khan bequem Platz gefunden hätten, verschwand hinter dem
geheimnisvollen Vorhang. Der Stoffetzen mußte wohl häufig ausgewechselt werden,
so oft, wie er angefaßt und bewegt wurde...
    Ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder
Andréjol.
    „Rappeln Sie sich hoch“, raunte ich ihm zu. „Wir
machen uns aus dem Staub.“
    Mühsam erhob sich der Inspektor. Ich schob meine
Hand in meine Tasche, entsicherte meinen Revolver und hielt ihn einsatzbereit.
Mehr schlecht als recht strebten wir dem Ausgang zu,

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