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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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einem Café-Restaurant
gesehen, wo er bis zu den Knien in der Kreide steht. Anscheinend völlig
abgebrannt. Macht nicht den Eindruck, in letzter Zeit ein interessantes Angebot
gekriegt zu haben. Ich übrigens auch nicht, und die Zeit läuft...“
    Ich brach in Gelächter aus.
    „Der letzte Satz stammt von Ihnen, Hélène, nicht
wahr?“ Sie stimmte in mein Lachen ein.
    „Genauer gesagt, ich habe ihm geraten, ihn
dazuzusetzen.“
    „Verdammtes Biest! Na ja, jetzt, da wir den
Klienten fest im Griff haben, können wir über unsere Engpässe nur lachen. Ich
verspreche Ihnen: Ich werde ihm eine saubere Arbeit hinlegen, und dann muß er
noch etwas mehr rausrücken als ein paar anerkennende Worte... falls er uns
nicht unter den Händen wegstirbt. Der Alte ist nämlich ziemlich wacklig auf den
Beinen. Wir müssen vorsichtig mit ihm umgehen und ihm nicht den Gnadenstoß
versetzen.“
    „Und was hat Mercadier damit zu tun?“
    „Keine Ahnung.“
    „Na schön“, seufzte Hélène, „Sie sind der Chef.
Man kann nicht alles haben, Geld und das Sagen. Und außer Roland und
Ihrem Araber gibt’s keinen neuen Toten?“
    „Nein, im Moment noch nicht.“
    „Im Moment? Aber es gibt doch Hoffnung, oder?“
    „Wie gesagt, der Alte ist wacklig auf den
Beinen.“
    „Und was ist mit Ihrem Araber?“
    „Der ist nicht mehr dort, wo ich ihn heute
morgen gesehen habe.“
    „Haben Sie vielleicht geträumt?“
    Sie wies auf die Zeitungen zu ihren Füßen.
    „Ich habe alles durchgesehen. Von der Leiche
eines Nordafrikaners in Sceaux ist nirgendwo die Rede.“
    „Eventuell weiß Marc Covet etwas.“
    Ich rief im Crépuscule an. Mein Freund,
der trinkfreudige Journalist, war nicht in der Redaktion. Ich legte auf.
Hélènes Blick konnte sich nicht von meiner Hose losreißen. Jetzt erst fielen
mir die verheerenden Spuren auf, die der Straßendreck von Sceaux hinterlassen
hatte.
    „Was ist passiert?“ fragte Hélène.
    „Ich bin hingefallen.“
    „Hingefallen, einfach so?“
    „Ja, einfach so. Was hatten Sie gedacht? Ein
Überfall?“
    „War etwas spannender gewesen. Und nun...“ Sie
stand auf. „Hat Sie die Vorstadtluft nicht hungrig gemacht?“
    „Doch. Bevor der Bauchtanz losgeht, sollten wir
uns ein wenig stärken.“
    Wir gingen in eine Gaststätte ganz in der Nähe.
Dort hatten wir das große Glück, unseren Freund Reboul anzutreffen. Wir setzten
uns an den Tisch, an dem mein einarmiger Mitarbeiter als einziger später Gast
saß und das bescheidene Tagesgericht verspeiste.
    „Wann ist Ihre Miete fällig?“ fragte ich ihn.
„Wahrscheinlich ist die Frist schon abgelaufen...“
    „Bei mir ist das anders“, lachte Reboul. „Ich bin
immer zwei bis drei Monate im Rückstand. Das ist mein Kapital.“
    „Auf die Agentur Fiat Lux ist Manna
herabgeregnet“, sagte ich und reichte ihm ein paar Banknoten. „Lassen Sie den
Fraß da stehen und bestellen Sie sich etwas, das weniger intensiv riecht.“
    Dazu sagte er nicht nein. Auch nicht dazu,
seinen Bericht über Mercadier wiederzukäuen.
    „Ist es ein dicker Fall?“ erkundigte er sich
dann.
    „Sieht ganz so aus. Also, es geht um folgendes:
Ein stinkreicher Mann wird von seiner Tochter über den zweifelhaften Umgang
seines Sohnes informiert. Da er ihr aber nur halb glaubt, beauftragt er mich
damit, mal nachzusehen, was genau es damit auf sich hat.“
    „Eigentlich keine Arbeit für einen Detektiv“,
warf Reboul ein.
    „Nein, keine Arbeit für einen Detektiv“,
pflichtete ich ihm bei. „Ich glaube eher, daß es nur ein Vorwand ist, um mich
auf etwas anderes zu stoßen. Auf was? Keine Ahnung.“
    „Vielleicht auf die Leiche des Sohnes?“ mutmaßte
Hélène. „Ach! Es gibt bereits eine Leiche?“ fragte Reboul.
    „Schon zwei“, korrigierte ich. „Sie kennen doch
Ali Ben Cheffour, nicht wahr? Wir haben ihn öfter im Bistro Ecke Rue des
Petits-Champs und Rue Sainte-Anne getroffen.“
    „Ja, ich erinnere mich. Ein prima Kerl.“
    „Ich hatte ihn heute morgen als Aperitif.“
    Reboul wußte noch gar nichts davon und Hélène
nur wenig mehr. Also schilderte ich ihnen die Ereignisse des Tages und schloß
mit einem Defilee der Personen:
    „Flauvigny: ein alter Industrieller mit
schwindender Autorität. Gibt sich noch der Illusion hin, das Sagen zu haben,
hat es hier und da wohl auch manchmal tatsächlich noch, was seinen
Wutausbrüchen zuzuschreiben ist, läßt sich aber ansonsten mehr beeinflussen,
als er ahnt. Joëlle, seine Tochter: eine betörende Mischung

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