Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
bin hinausgegangen, um nachzusehen... und habe Sie vor der
Tür gefunden.“
    „In kläglichem Zustand, nicht wahr?“
    „Sie waren offensichtlich betrunken und wußten
nicht mehr, was Sie taten... Und was Sie danach taten, wußten Sie genausowenig,
später, nachdem ich Sie nicht ohne Mühe hierhergebracht hatte...“
    Ihre letzten Worte klangen bedeutungsschwanger.
    „Ja, ja!“ lachte ich, obwohl mein Kopf mir einen
ungestraften Heiterkeitsausbruch noch nicht gestattete. „Ja, ja! In Ihr
    kleines, süßes Himmelbettchen! Und was hab ich
hier getan, ohne zu wissen, was ich tat?“
    Ich sah zu ihr hoch. Sie stand neben mir,
sozusagen in Reichweite, und wahrte Stillschweigen. Ich stand auf, versenkte
meine Augen in ihre und fragte so direkt wie möglich: „Hab ich mit dir
geschlafen?“
    Sie zuckte zusammen und wandte ihren Kopf ab.
Die verlegene Jungfrau! Wir waren an dem heiklen Punkt ihres Spielchens
angelangt.
    „Also wirklich... Sie stellen vielleicht
Fragen!“
    „Und du gibst vielleicht Antworten! Wagst weder
zu dementieren noch zu bestätigen. Das heißt also ja, hm? Sieh mir in die
Augen!“
    Ich sammelte all meine Kräfte, packte sie an den
Schultern und zwang sie, mich anzusehen.
    „Und gefallen hat’s dir auch noch! Das erste
Wort, das ich heute von dir gehört habe, war , chéri ’ . Sicher, es
kam ein wenig zögernd... wohl wegen fehlender Routine. Aber die wird sich schon
noch einstellen, die Routine, und dann wirst du nicht mehr ,chéri ’ zu
mir sagen, sondern nur noch ,mein Nessi’, ,mein Törchen’, ,mein kleines
Nestörchen’...“
    Ich strengte mein Gedächtnis an, um mich an das
Gesicht des Sittenstrolches von Rueil zu erinnern. Auch wenn sich hinterher
seine Unschuld herausgestellt hatte, war alle Welt einer Meinung gewesen: Der
Mann hatte die Fresse eines richtigen Unholdes. Ich versuchte, ein ähnliches
Gesicht zu machen. Mit der Zigarette im Mundwinkel, dem zugekniffenen Auge
(wegen des aufsteigenden Rauchs) und der Blechstimme (vor allem, wenn ich flüsterte!)
war das nicht gar so schwer. Ein lüsterner Lustmolch mit Löchern in den
Strümpfen!
    „Es muß also nicht unangenehm gewesen sein“,
fuhr ich fort. „Unglücklicherweise war ich nicht in der Verfassung, es zu
genießen. Tja, du wirst sicher verstehen, chérie …“
    Ich umarmte sie. Sie setzte sich zur Wehr. Ihre
Haselnußaugen drückten Panik aus. Sie erinnerten mich an die Szene in dem
Restaurant... und außerdem noch an ein anderes Augenpaar, nämlich an das von
Dr. Péricat, als er befürchtet hatte, durch plötzlichen Herzstillstand eine
wichtige Einnahmequelle zu verlieren. Ich ließ Joëlle sich eine Weile wehren,
dann lockerte ich meinen Klammergriff und setzte mich wieder aufs Bett. Ich war
noch weit von meiner Bestform entfernt, um das Spielchen länger spielen zu
können.
    „Ich will nichts... Böses von Ihnen“, sagte ich.
„War nur ein Experiment. Sie wollten mich mal eben schnell davon überzeugen,
daß zwischen uns beiden das ,nicht Wiedergutzumachende’ geschehen wäre, wie es
in den rosa Romanen heißt. Aber als ich mir das Ganze jetzt noch einmal
bestätigen lassen wollte: Pustekuchen! Warum wollen Sie mir weismachen, daß ich
für eine Nacht Ihr Geliebter gewesen bin? Um mich in der Hand zu haben, mich
unter Druck zu setzen, was? Warum?“
    Sie brachte ihre Kleidung wieder in Ordnung, so
als wäre wirklich...
    „Sie sind widerlich“, hauchte sie.
    „Na schön, dann bin ich eben widerlich. Sie
haben mich im Park aufgelesen, groggy; Sie haben mich beherbergt; Sie haben
sich nicht gescheut, sich eventuell zu kompromittieren. Das ist alles sehr nett
von Ihnen, und vielleicht habe ich eine seltsame Art, mich zu bedanken. Aber,
zum Donnerwetter! Wen Sie kompromittieren wollten, das bin ich! Geben Sie’s
schon zu! Mit welcher Absicht?“
    Sie gab keine Antwort, legte nur trotzig ihre
Stirn in Falten. Ich zog noch ein letztes Mal an der Zigarette.
    „Hören Sie, Joëlle... Sie erlauben doch, daß ich
Sie Joëlle nenne? Sie können mich Burma nennen, ganz einfach Burma... Nessi und
Törchen“, lachte ich, „das war nicht schlecht...“
    Als Creme gegen Faltenbildung hatte ich keinen
Erfolg. Joëlle nickte nur kurz, hatte jedoch eigentlich keine rechte Ahnung,
womit sie sich da einverstanden erklärte. Doch eines hatte sie ganz sicher:
Schiß.
    Ich fuhr fort:
    „Ihnen zu erklären, in welcher Tinte wir alle
sitzen, wäre zu kompliziert. Vor allem, weil ich selbst nicht die leiseste
Ahnung habe,

Weitere Kostenlose Bücher