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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Haus.
Der frische Frühlingswind tat mir gut. Schnell huschten wir ums Haus herum, um
den wachsamen Blicken des Butlers zu entgehen. Alles lief wie geschmiert. Wir
erreichten die Garage, die von einer hohen Hecke verdeckt wurde. Doch nicht nur
die Garage. Als wir vor ihr standen, sahen wir, daß schon jemand hier auf uns
wartete.
    „Guten Morgen, Mademoiselle. Guten Morgen,
Monsieur“, begrüßte uns Albert.

13

Erwachen
mit Pauken und Trompeten
     
     
    Der Butler mit dem Herzen für das Herz seines
Herrn war sicherlich nicht darauf gefaßt gewesen, daß wir uns hier begegnen
würden.
    „Guten Tag, Albert!“ rief ich fröhlich. „Bald
kenne ich La Feuilleraie wie meine Westentasche! Wollte zu Monsieur
Flauvigny, und als ich so um die Ecke segle, rutsche ich doch tatsächlich aus
und falle hin!“
    „Ich hoffe, Monsieur haben sich nicht weh
getan?“ erwiderte Albert besorgt und sah leicht ironisch auf meine geschwollene
Nase.
    „Nein, nein. Eine Tür... Ging einfach auf und
hat sich an meiner Nase gestoßen, hahaha!“
    Albert runzelte die Stirn.
    „Eine Tür? Die kleine Tür?“ fragte er nach.
    „Ja. Ich hab’s Mademoiselle mitgeteilt und
wollte es ihr zeigen, und da sie sowieso wegfahren wollte, habe ich sie
begleitet. Eine kleine Besichtigungstour über das Grundstück...“
    „Natürlich, Monsieur“, sagte Albert
nachdenklich.
    „Sie sollten die Tür abschließen“, regte ich an.
    Wortlos wischte er sich die Hände an seiner
Gärtnerschürze ab.
    „Soll ich Monsieur bei Monsieur Gérard melden?“
    „Wenn er Besuche empfangen kann, ja.“
    „Monsieur ist wach. Wenn Monsieur mir folgen
wollen...“ Ich wandte mich Joëlle zu.
    „Auf Wiedersehen, Mademoiselle.“
    Durch entsprechende Mimik bedeutete ich ihr, daß
sie in einiger Entfernung auf mich warten solle. Es würde nicht lange dauern,
hoffte ich. So langsam fragte ich mich, ob ich mich mit diesem Mädchen eines
Tages auch mal normal würde verständigen können, nicht nur durch Zeichen,
Flüstern oder Anspielungen. Allerdings glaube ich nicht an Wunder...
    Ich schloß zu dem gärtnernden Butler auf und
erkundigte mich höflich nach dem Gesundheitszustand seines Herrn. Albert sagte
mir, Monsieur habe dank eines starken Schlafmittels, das Dr. Péricat ihm
verabreicht habe, eine ausgezeichnete Nacht verbracht. Er hatte wirklich
Schwein, der Alte!
    Gérard Flauvigny hatte die verquollenen Augen
und den benommenen Gesichtsausdruck eines Menschen, der eben aus einem durch
eine starke Dosis künstlich herbeigeführten Schlaf erwacht ist. Er setzte sich
in seinem königlichen Bett bequem auf. Wenn er mich auch einfach so empfing, so
rief mein Anblick — das fühlte ich — bei ihm keine Begeisterung hervor. Er
mußte fürchten, daß ich so langsam lästig würde. Vielleicht fürchtete er auch,
ich wolle ihn anpumpen.
    „Entschuldigen Sie, daß ich Sie überfalle“,
begann ich, „aber ich muß gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen, und es gibt
Situationen, in denen ich das Telefon lieber nicht benutze.“
    „Sind Sie... Sind Sie dagewesen?“ fragte er
rundheraus. „Ich komme sozusagen direkt von dort“, antwortete ich. „Ein erster
Erkundungsgang. Man kann nicht gleich am ersten Tag hinter die Kulissen
gelangen. Aber ich packe die Burschen schon! Es muß da noch um etwas anderes
gehen als um Drogen...“
    Sein Interesse war geweckt.
    „Wirklich? Und um was? Haben Sie einen
Anhaltspunkt?“
    „Noch nicht. Aber Sie können sicher sein, ich
schlafe nicht!“ Das stimmte sogar beinahe. „Lassen Sie mir ein wenig Zeit, und
Sie werden sehen... Aber deswegen bin ich heute morgen nicht zu Ihnen gekommen.
Es geht um... um Ihren Sohn. Es tut mir leid, aber...“
    „Raus mit der Sprache!“ polterte der Alte los. „Sie
haben die Polizei benachrichtigt, und die glaubt nicht an einen Unfall,
stimmt’s?“
    „Warum sollte sie nicht daran glauben, wenn’s
doch nichts anderes war?“
    „Also?“
    „Ich habe die Polizei noch nicht benachrichtigt.
Werd’s gleich tun. Und dafür brauche ich einen vernünftigen, nichtberuflichen
Grund für unsere... äh... Beziehung. Um keinen dummen Verdacht aufkommen zu
lassen...“
    Ich erklärte ihm, welches Märchen ich mir
ausgedacht hatte und auftischen wollte, wenn nötig mit der Arbeitsbescheinigung
unterm Arm.
    „Der Rest ist dann kein Problem mehr“, fügte ich
hinzu. „Nur müssen Sie im Falle eines Falles erklären, daß wir uns schon seit
ewigen Zeiten kennen.“
    „In Ordnung“, sagte er

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