Ein Toter hat kein Konto
worden.
Man hat versucht, die Leiche woandershin zu transportieren, und ist bei der
Gelegenheit gegen einen Baum gefahren. Wir sind in die Wohnung des Toten
gegangen — seine Papiere hatte er bei sich — und haben erfahren, daß er gestern
abend gegen sechs Besuch gehabt hatte. Er ist mit dem Unbekannten aus dem Haus
gegangen, um nicht mehr zurückzukommen. Die Haushälterin hatte von Anfang an
kein gutes Gefühl dabei. Der Doktor sei sehr nervös gewesen. Behaupten könne
Sie’s nicht, aber der Besucher scheine dem Doktor nicht gefallen zu haben. In einem
Punkt ist sie sich allerdings sicher: Ihr selbst sei der Mann überhaupt nicht
sympathisch gewesen.“
„Vor allen Dingen“, mischte sich Grégoire ein,
„wegen des Namens, mit dem sich der Unbekannte vorgestellt habe. ,So heißt doch
kein anständiger Christenmensch’, hat sie gemeint, ,war bestimmt ‘n falscher
Name! 1 “
„Was Sie nicht sagen!“ rief ich empört. „Und wie
hieß der Herr, der den Damen nicht gefällt?“
„Das ist kein Herr“, korrigierte mich Faroux,
„sondern ein Subjekt. Ein gewisser Burma. ,Nestor für die Damen’ kann man ja
leider nicht sagen, weil…“
„Na gut“, unterbrach ich ihn und seufzte
resigniert. „Ich gestehe, Dr. Péricat getötet zu haben.“
„Stellen Sie sich nicht blöd, und versetzen Sie
sich in meine Lage! Ich führe die Ermittlungen in einem Mordfall und treffe
einen Mitarbeiter der Agentur Fiat Lux am Fundort. In der Wohnung des Toten
erfahre ich, daß der Tote mit dem Leiter der fraglichen Agentur am Abend des
Mordes von zu Hause fortgegangen ist. Ich besuche einen Patienten des Opfers,
weil der nicht weit von der Stelle entfernt wohnt, an der man die Leiche
gefunden hat. Als ich das Haus verlasse, stolpere ich über Nestor Burma. Dieser
Nestor Burma bereitet seinen großen Auftritt vor, indem er eine zweite Leiche
ins Gespräch bringt. Würde Sie das nicht neugierig machen?“
„In Ordnung. Hören Sie, Faroux, ich will offen
zu Ihnen sein...“
„Nein!“ brüllte der Kommissar. „Um Himmels
willen, seien Sie bloß nicht offen zu mir!“
„Aber reden darf ich doch, ja?“
„Schießen Sie los! Ich werd mir dann überlegen,
was ich glauben kann und was nicht.“
„Gut. Also... Roland Flauvigny ist schon seit
gestern tot, und gestern hab ich ihn auch entdeckt...“
Ich erklärte, warum ich nicht sofort die Polizei
benachrichtigt hatte, sprach von den Gründen für meinen Besuch bei Péricat, von
Flauvignys Gesundheitszustand, der eine gewisse Behutsamkeit erfordere usw.
„Der Alte hat den Schock besser verwunden, als
ich gedacht hatte“, fuhr ich fort, „mußte aber mit Sedativa vollgepumpt werden.
Gegen elf rief ich in La Feuilleraie an. Dr. Péricat hatte das Haus
bereits verlassen, und der Alte schlief.“
Faroux verdaute meinen Bericht und betrachtete
schweigend die Bäume, die draußen an uns vorbeizogen. Ich klopfte meine Pfeife
aus, stopfte sie wieder und genoß ebenfalls die Aussicht auf die Landschaft.
Nur Grégoire schien sich zu langweilen. Der Fahrer nahm etwas zu forsch eine
enge Kurve, und die träge Masse des Inspektors drohte uns aus der Bahn zu
werfen.
„Hört sich nicht unbedingt nach Bluff an“,
entschied Faroux schließlich. „Was meinen Sie, Grégoire?“
„Ich kenne Monsieur Burma nicht gut genug“,
sagte der dicke Rothaarige ausweichend, „um mir eine fundierte Meinung bilden
zu können.“
„Das versuche ich schon seit einiger Zeit“,
lachte Faroux. „Inzwischen weiß ich aber im großen und ganzen, was man ihm
glauben kann. Man muß nur hier ein Detail abziehen, dort eins hinzufügen... Zum
Beispiel, Burma: Es ist schon fast Mittag. Wie kommt es, daß Sie nicht früher
die Leiche des jungen Flauvigny... äh... entdeckt haben?“
Ich erklärte ihm, daß ich am Abend zuvor das
Fest irgendeines Heiligen gefeiert hätte und etwas spät aufgewacht sei. Mein
blasser Teint, meine rote Nase und meine rostige Stimme sprachen für sich.
„Und gestern, als Sie die Leiche zum ersten Mal
entdeckt haben?“ hakte Faroux nach. „Aus welchem Grunde haben Sie ihn da
besucht?“
„Aus keinem besonderen. Ich war gerade in der
Nähe, nichts weiter.“
„Wenig Arbeit zur Zeit, was?“
„Kaum.“
„Und Ihre Sause sollte wahrscheinlich die
beruflichen Sorgen ersäufen, nicht wahr?“ lachte der Kommissar verständnisvoll.
„So ungefähr.“
„So was kostet aber heutzutage ‘ne Stange Geld,
solche Extratouren! Und das bei der miesen
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