Ein Toter hat kein Konto
zwingen mich die Umstände dazu, einem
Kommissar der Kripo alles auf die Nase zu binden. Diskret und schnell, dieser
Burma! Wenn Flauvigny jemals in seinem Leben noch mal einen Privatflic brauchen
sollte, wird er an alle möglichen Kollegen denken, außer an den lieben kleinen
Nestor!“
„Das Saufen bekommt Ihnen nicht“, stellte Faroux
lächelnd fest. „Ich habe keinen Grund, den Tod des jungen Flauvigny an die
große Glocke zu hängen, damit Sie Ihr Gesicht verlieren. Im Moment interessiere
ich mich ausschließlich für Péricat. Ärgerlich, daß die beiden kurz
nacheinander von der Bühne abgetreten sind; aber mich geht nur der Arzt was
an.“
„Wie hat Flauvigny auf die Nachricht vom Tode
seines Freundes reagiert?“ erkundigte ich mich.
„Mißvergnügt, höchst mißvergnügt.“
„Das ist nichts Ungewöhnliches“, kommentierte
ich. „Hab noch nie erlebt, daß er irgendein anderes Gefühl geäußert hätte. Ein
Dauerzustand bei ihm. Und nun, lieber Faroux, wenn wir uns sonst nichts mehr zu
erzählen haben...“
Ich hielt ein paar Sekunden lang die Luft an.
Vielleicht würde mein Freund von dem toten Araber zu sprechen beginnen... Er
begann nicht. Also fuhr ich fort:
„...und Sie mich nicht einsperren wollen, ist es
Zeit für mich, das Mißvergnügen des alten Herrn zu verstärken. Ich muß ihm wohl
oder übel sagen, daß Sie über alles Bescheid wissen.“
„Armer Alter!“ sagte Faroux und gab Anweisung,
nach La Feuilleraie zurückzufahren.
Albert führte mich in die Bibliothek-Galerie.
Das erste Mal, als ich Flauvigny gesehen hatte, saß er; das zweite und dritte
Mal lag er. Jetzt ging er. Das überraschte mich. In einen Morgenmantel gehüllt,
ging er so wütend auf und ab, wie es seine weichen Knie erlaubten. Dabei
hämmerte sein Stock, auf den er sich stützte, gedämpft auf den Teppich.
Der Alte war besser zu Fuß, als ich angenommen
hatte. Anstatt ihn umzubringen, schien ihn jede neue Aufregung zu einer Art
zweiter Jugend zu erwecken. Relativ gesehen, natürlich. Unsere Blicke kreuzten
sich. In seinem las ich, daß er gerade dabei war, die gesamte Menschheit auf
einen Spieß zu schieben und zu braten. Ein zäher Bursche!
„Der Tod von Dr. Péricat hat meine Pläne
durcheinandergebracht, Monsieur“, begann ich.
„Kann ich mir vorstellen“, schnauzte der
Hausherr.
Er blieb abrupt stehen, so als überlege er, ob
er sein Soll an Hin und Her erfüllt habe, und setzte sich dann in seinen
Sessel.
„Kommissar Faroux“, fuhr ich fort, „hat von
meinem gestrigen Besuch bei Dr. Péricat erfahren. Ich mußte ihn über alles ins
Bild setzen. Der Kommissar ist ein alter Freund von mir und ist derjenige, mit
dem ich mich ohnehin in Verbindung setzen wollte. Also alles halb so schlimm.
Sie werden bei der ganzen Geschichte außen vor bleiben.“
„Ich nehme an, Sie haben Ihr Möglichstes getan“,
flüsterteer.
Auf seinem Bratspieß drehte sich zur Zeit
niemand mehr.
„Ja, Monsieur“, versicherte ich ihm.
„Ich danke Ihnen.“
„Bevor ich gehe, Monsieur, würde ich mit Ihnen
noch gerne über Dr. Péricat sprechen.“
„Nicht nötig“, fauchte Flauvigny und rammte
seinen Stock in den Teppich. Der Bratspieß in seinem Kopf setzte sich wieder in
Bewegung. „Das werd ich dem Idioten nie verzeihen! Sich ein paar Meter vor
meinem Haus umbringen zu lassen und mir damit solchen Ärger zu machen!“
Für alte Freunde bereitete Flauvigny seine Leichenreden
ganz besonders sorgfältig vor.
„Der Meinung bin ich auch, Monsieur!“ pflichtete
ich ihm bei. „Trotzdem dachte ich...“
„Die Ermittlungen der Polizei sind angelaufen.
Lassen Sie sie laufen!“
Ich verabschiedete mich. Besser gesagt, ich
betrachtete mich als rausgeschmissen und nahm mir vor, den Fall von nun an als
neutraler Beobachter zu verfolgen.
Der Wagen der Kripo parkte noch vor dem
Eingangstor. Schien auf mich zu warten.
„Ich bringe Sie nach Paris zurück“, sagte Faroux
und hielt einladend die Tür auf.
Auf dieser Straße stand anscheinend immer ein
Wagen für mich bereit. Ich nahm das Angebot an. Nie hatte ich mich so erschöpft
gefühlt. Der dicke Grégoire überließ mir freiwillig seinen Platz. Die laufenden
Ermittlungen hielten ihn noch eine Weile in Sceaux zurück.
16
Ben,
altes Haus!
„Wohin wollen Sie?“ fragte mich Faroux am
Ortsausgang.
„In die Rue Lhomond. Liegt ja auf Ihrem Weg! „
lachte ich.
„Verdammter Nestor!“ Der Kommissar stimmte in
mein Lachen ein. „Vor Ihnen kann man
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