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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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sein. Die ganze Bande würde einen solchen Wirbel
veranstalten, daß die Spurensicherung nichts mehr finden würde.
    Ich klingelte bei dem Arzt, setzte ihn ins Bild
und sagte, ich würde jetzt zur Polizei gehen.
    Hélène wartete unten auf mich.
    „Sie sind dazu verdammt, mein Schatz, tief
bewegt zu sein“, befahl ich ihr. „Gehen Sie ins Bistro gegenüber, und trinken
Sie ein Glas auf den Schreck.“
    Der diensthabende Inspektor in der Rue Lhomond hörte
sich um so lieber mein Märchen an, da er schon von mir gehört hatte. Wir nahmen
noch einen Flic mit und gingen zusammen zu dem Totenhaus. Ich kümmerte mich so
rührend um Roland, als wäre er tatsächlich der Sohn eines alten Freundes.
    In der fünften Etage wimmelte es von
Neugierigen. Der Flic sorgte dafür, daß sich die Menge zerstreute. Nur der Arzt
durfte bleiben.
    „Asphyxie“, stellte er fest. „Der Tod muß schon
vor vielen Stunden eingetreten sein. Anscheinend hatte der junge Mann
geschlafen... vielleicht betrunken...“
    „Ich weiß“, unterbrach ihn der Inspektor, dem
ich nicht verheimlicht hatte, daß Roland Drogen genommen hatte.
    Der Arzt legte uns Eigenschaften und
Wirkungsweisen des Gases auseinander. Seit einiger Zeit sei es in geringer
Dosis beinahe geruchlos, klagte er, was die Unfallgefahr erhöhe. Wenn man etwas
bemerke, sei es meistens schon zu spät...
    Mit Hilfe des Wassertopfes demonstrierte ich den
Hergang des tödlichen Ereignisses. Der Inspektor schien von meiner Theorie
überzeugt. Er dankte dem Arzt für seine erste Hilfe, stellte seinen
Untergebenen als Wachposten vor die Tür und ging mit mir zurück aufs Revier.
Dort gab er seinen Leuten Anweisungen, das zu tun, was in solchen Fällen eben
zu tun ist, und nahm meine Zeugenaussage zu Protokoll. Nachdem die Formalitäten
erledigt waren, erzählte ich dem Flic, welch ein hohes Tier mein Freund, der
Vater des Toten, sei, daß er ein schwaches Herz habe und ich ihn deshalb lieber
selbst von dem Schicksalsschlag unterrichten wolle. Ich bat ihn, unterdessen den
Bluthunden von der Presse nichts über Rolands Stammbaum zu verraten, ebenfalls
wegen Papas schwachem Herzen. Er versprach mir, sich daran zu halten, und
entließ mich, erfreut, meine Bekanntschaft gemacht zu haben, wie er mir
versicherte. Ich folgte Hélène ins Bistro gegenüber.
    „Ich muß Sie ins Archiv des Crépu schicken“, sagte ich bedauernd zu ihr. „Sehen Sie die Ausgaben der letzten drei
Monate durch, und machen Sie eine Liste aller Diebstähle, Überfälle usw., an
denen Nordafrikaner beteiligt waren. Vielleicht hilft uns das nicht weiter,
aber man soll nichts außer acht lassen. Bitten Sie Marc Covet, Ihnen beim
Staubschlucken beizustehen. Was über Riton-den-Spinner zusammengeschmiert
wurde, braucht Sie nicht zu interessieren. Das ist nicht unser Bier.“
    „In Ordnung, Chef.“
    Ich rief den Wirt des Bistros, um zu zahlen. Er
beobachtete gespannt, was sich auf der sonst so ruhigen Straße tat. Soeben
waren die Ambulanz und ein Polizeiwagen eingetroffen. Der Wirt kassierte.
    „Was ist denn da drüben los?“ erkundigte er
sich.
    „Ein Unfall“, sagte ich. „Ein junger Student ist
an einer Gasvergiftung gestorben. Übrigens, vielleicht kennen Sie ihn: Roland
Flauvigny...“
    „Ach, wissen Sie, mit Namen hab ich’s nicht
so... Nicht mal den meines Abgeordneten kann ich mir merken... Nur einen, den
kenne ich: Riton-den-Spinner.“
    „Den Namen oder den Mann?“
    „Oh, nur den Namen natürlich. Den kennt doch
jeder... Entschuldigen Sie, aber ich hab eben gehört, wie Sie den Namen
ausgesprochen haben. Hat er was mit der Sache da drüben zu tun?“
    „Nein, es war ein ganz gewöhnlicher Unfall.“
    „So was kann man nie wissen, heutzutage. Um
wieder auf Riton-den-Spinner zurückzukommen, seit dem Überfall auf die Zentrale
der Kreditbank vor zwei Monaten sieht man ihn anscheinend überall, wie ein
Phantom. Ich zum Beispiel hab ihn vor einer Woche vor dem Panthéon gesehen.
Nach den Fotos in der Zeitung konnte er es jedenfalls gewesen sein, so
ungefähr...“
    „Ja, ja, so ungefähr. Vor dem Panthéon? Na ja,
das ist leicht zu erklären. Bald wird er zu den großen Männern Frankreichs
gehören.“
    Hélène und ich ließen den Wirt mit den
Auswüchsen seiner Phantasie alleine. Riton-der-Spinner machte alle Welt
verrückt, verrückter, als er selber war.
    Ich brachte Hélène zu einem Bus, der zur
Redaktion des Crépuscule fuhr. Dann winkte ich ein Taxi heran und
versprach dem Fahrer, ihn in meinem

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