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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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finden. Nachdem ich mich eine Weile hin- und hergewälzt
hatte — zum großen Leidwesen meines geschundenen Körpers — , knipste ich das
Licht an, stand auf und suchte Dumonteils Nummer im Telefonbuch.
    Hinter seinem Namen stand die Bezeichnung:
„Phot.“ Ich wählte die angegebene Nummer. In der Rue de Seine läutete es, was
das Zeug hielt, aber niemand ging an den Apparat. Zu behaupten, daß das mich
überrascht hätte, wäre gelogen gewesen. Nicht alles, was ich in meinen
Rauschgiftträumen gesehen hatte, war eine Halluzination gewesen. Péricats ganz
reale Leiche war der traurige und wenig lebende Beweis.
    Ich rief einen befreundeten Arzt an, um mich
über Typhus zu informieren. Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, brennender Durst,
Erschöpfungszustände, Schlaflosigkeit, Hirnstörungen: Sämtliche Symptome trafen
auf mich zu, manche schon seit über zwanzig Jahren. Das bewies jedoch noch
nicht, daß ich mich angesteckt hatte.
    Mit einem Buch in der Hand streckte ich mich
wieder auf meinem Bett aus. Ich las ein paar Seiten, unterbrach dann meine
Lektüre, um über den Revolver nachzudenken, den man neben Péricat gefunden
hatte und der Flauvignys Waffe wie ein Ei dem anderen glich — wenn nicht noch
mehr.
    Unten auf der Straße wurden Kisten mit Flaschen
abgeladen. Nicolas erhielt seine Ware. Der Lärm weckte in mir brennenden Durst.
(Typhus!) Ich stand auf, schluckte ein Aspirin, spülte ein wenig Wasser nach
und begoß das Ganze mit Rum. Dann legte ich mich wieder hin, um meinen Träumen
nachzuhängen.
    Etwas Ähnliches wie die besagte Waffe hatte ich
noch nie gesehen. Es mußte ein neues Modell sein, ein bisher noch geheimer
Armeerevolver oder so was. Daraus erklärte sich Faroux’ besonderes Interesse.
Irgendwie hatte sich Flauvigny, der alte Fuchs, das Ding verschafft. Ich hätte
viel darum gegeben zu erfahren, ob die Waffe noch in La Feuilleraie in
der Schublade lag. Wenn das nämlich nicht der Fall war...
    So eine Kanone fand man nicht überall auf der
Straße, verdammt nochmal! Ich brauchte mir nichts vorzumachen: Der Alte kam als
Péricats Mörder in Frage. Das Motiv kannte ich nicht, aber er konnte es getan
haben. Seine Leichenrede zeugte nicht grade von inniger Freundschaft, und er
war flinker, als es den Anschein hatte.
    Ich sprang aus dem Bett, wählte die
Telefonnummer von La Feuilleraie und bat Albert, mich zu
benachrichtigen, sobald Mademoiselle nach Hause gekommen sei. Dann ging ich
wieder in die Horizontale und grübelte über das Verhalten des jungen Mädchens
nach.
    Joëlle Flauvigny wußte etwas. Etwas, das schwer
wog. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Sie hatte an ihrem Fenster
gestanden, hatte geraucht und gewartet. So hatte sie mich durch den Park
geistern sehen. Die Behauptung, ich hätte sie aufgeweckt, war eine Lüge. Auf
jeden Fall hatte die Kleine Angst. Vor wem oder wovor? Reichlich ungeschickt
hatte sie mich zwingen wollen, ihr Verbündeter zu werden. Gegen wen oder gegen
was? Sie hatte eingewilligt, mich in ihrem Wagen nach Paris zu fahren, war mir
aber bei der erstbesten Gelegenheit entwischt. Sie fürchtete vielleicht nicht
Gott, aber alle Welt. Sogar den Anwalt, der...
    Der Anwalt! Wozu brauchte Flauvigny seinen
Anwalt? Sicher, dafür gab es normale, alltägliche Gründe; aber wenn Flauvigny
seinen Freund Péricat umgelegt hatte, wollte er sich eventuell einen
juristischen Rat geben lassen. Und für so etwas kam Maître Lenormand, auch er
ein alter Freund der Familie, viel eher in Frage als Nestor Burma, der so
langsam zu stören schien.
    Mörder seines Hausarztes! So etwas Unerhörtes,
noch nie Dagewesenes liebe ich. Die Fakten sprachen für diese These. Flauvigny
hatte Péricat getötet. Das Motiv galt es noch herauszufinden. Wenn er nicht
selbst die Leiche fortgeschafft hatte, dann hatte er Albert mit dieser Aufgabe
betraut. Die Leiche wird durch die kleine Tür in der Umfassungsmauer herausgeschmuggelt,
und Joëlle beobachtet diese Aktion von ihrem Fenster aus. Rein zufällig. Oder
weil irgendwelche Geräusche ihre Aufmerksamkeit geweckt haben. Danach bleibt
sie wie angewurzelt an ihrem Fensterplatz stehen, bis ich auf der Bildfläche erscheine.
    Drei Dinge waren mir in Erinnerung geblieben.
Erstens: Alberts Stirnrunzeln, als ich ihm gesagt hatte, ich sei durch die
kleine Tür hereingekommen. In der Aufregung hatte er vergessen, sie
abzuschließen. Stilechte Butler erledigen jede Arbeit lautlos und zuverlässig;
aber Leichentransporte sprengen den Rahmen des

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