Ein Toter hat kein Konto
austretendes Gas! — eines jungen Mannes namens Flauvigny
berichtet. Der Vorname fehlte, ebenso jeder Hinweis auf die Abstammung des
Toten.
Auf Seite 3 nahm Georges Péricat da schon etwas
mehr Platz ein. Allerdings wurde seine Beziehung zu Gérard Flauvigny mit keiner
Zeile erwähnt. Hoffentlich würde dieser Beweis von Diskretion, die zum Teil
mein Werk war, im Hause La Feuilleraie entsprechend gewürdigt. Die
Ermittlungen dauerten noch an, schloß der Redakteur. Er verschwendete keine
Druckerschwärze mehr an den Arzt und hatte es eilig, zur nächsten vermischten Nachricht
überzugehen, die Anlaß zu Klatsch und Tratsch gab. Ich war ihm deswegen nicht
böse. Wenn ich über den Fall Péricat mehr wußte als er, so wußte ich jedoch
überhaupt nichts über Ahmed Embarek. Es ist immer gut, sich weiterzubilden.
Diese Seite 3 schien wohl die „Arzt-Ecke“ zu sein. Außer Péricat füllten
Berichte über drei andere seiner Kollegen die Spalten. Darunter auch dieser
Embarek, geboren in Oran, vierzig Jahre, Gebiß vollständig. Jedenfalls war es
noch an dem Abend, an dem der Mann verschwunden war, vollständig gewesen. Bis
dahin hatte er in Billancourt Patienten behandelt, die sich ausschließlich aus
Glaubensbrüdern zusammensetzten. Zwei Landsleute hatten ihn vor zwei Tagen
abgeholt, und seitdem ward er nicht mehr gesehen. Heute morgen hatte die
Concierge sich entschlossen, die Polizei zu benachrichtigen. Die beiden Männer
seien zwar gut gekleidet gewesen, hätten jedoch eindeutig nach Gangstern
ausgesehen. Nur gut, daß Entführer so entgegenkommend sind und den
Vorstellungen von Leuten, die zu viele Kriminalfilme sehen, stets entsprechen.
Vor allem, wenn sie gleichzeitig auch noch Araber sind!
Der Bericht enthielt folgende Angaben:
Dr. Embarek hatte nach der Befreiung
Schwierigkeiten mit der Polizei. Ein gefährliches Mitglied der Gruppe um Mohamed
el Maadi, die während der Besatzung kollaboriert hatte, hatte sich bei ihm
versteckt gehalten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die ehemaligen
Kollaborateure eine alte Rechnung begleichen wollen. Uns liegt eine ungefähre
Beschreibung der beiden Männer vor, mit denen Dr. Embarek seine Wohnung
verlassen hat. Der eine ist sehr groß, auffallend elegant gekleidet und trägt
viele Ringe aus Gold oder vergoldetem Metall. Der andere ist ebenfalls groß,
dabei aber unauffälliger gekleidet; am Mittelfinger der rechten Hand fehlt ihm
ein Glied.
Ich brauchte nicht lange zu grübeln, um zu
kapieren. Ich überflog die übrigen Seiten auf der Suche nach ebenso
interessanten Dingen und stieß in letzter Minute auf eine Überschrift mit
meinem Namen. Privatdetektiv Nestor Burma bringt gefährliche Einbrecher zur
Strecke, hieß es dort. In den darauffolgenden fünf Zeilen wurde
versprochen, in der nächsten Ausgabe weitere Einzelheiten nachzuliefern. Ich
hoffte, diese weiteren Einzelheiten würden woanders plaziert werden als an
dieser versteckten Stelle. Dennoch, ich konnte mich nicht beklagen.
Ali Ben Cheffour, der anständige, dunkelhäutige
Staatsbürger, krepiert wie ein Hund im Dreck einer öffentlichen Mülldeponie,
wurde nirgendwo erwähnt.
* * *
„So langsam nimmt die Geschichte Gestalt an“,
sagte ich zu Hélène.
Wir saßen in einem Restaurant und machten uns
gerade über unsere Chateaubriands her, die leider weniger zart waren als ihr
Ruf.
„Moktar, das Honigkuchenpferd, leitet eine
Organisation, die illegal Algerier ins Land schleust. Klar, die Leute brennen
darauf, hier in Paris das große Geld zu machen. Aber anstatt dicke Gehälter zu
kassieren, werden sie zunächst arbeitslos und dann Gangster.“
Meine Sekretärin sah von ihrem Teller auf.
„Oder sie verdingen sich als Randalierer bei politischen
Versammlungen, egal welcher Richtung.“
„Stimmt genau. Eine Hand wäscht die andere.
Gratis wird man diesen Leuten nicht helfen. Wahrscheinlich müssen sie alles
hergeben, was sie besitzen. Und wenn sie dann erst mal hier sind, kassieren
Gangster wie Belkacem einen Teil von dem, was sie verdienen.“
„Hatte denn Belkacem etwas damit zu tun?“
„In seiner Brieftasche habe ich den Lohnstreifen
eines Bauunternehmens gefunden. Belkacem selbst war keiner, der täglich zur
Arbeit marschierte. Er vermittelte lieber billige Arbeitskräfte und leistete
ihnen eine Zeitlang bei der Arbeit Gesellschaft, bis sie sich... eingelebt
hatten, wenn ich das mal so ausdrücken darf.“
„Aber das beweist noch nicht...“
„Er ist in meine
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