Ein Toter hat kein Konto
seinem Opfer beim Todeskampf auch noch zuzusehen!“
„Immerhin hat es ihn Nerven gekostet, so viele,
daß er unsere Verabredung — die ja inzwischen überflüssig geworden war — sausen
ließ. Er mußte sich erst mal erholen, bevor er mir gegenübertrat. Hinterher ist
er dann doch noch ins Antinéa gekommen, um sich ein wenig vollzudröhnen.
Damit, daß er mich dort antreffen würde, hat er sicher nicht gerechnet. In
seiner Wohnung lag vielleicht etwas Rauschgift, aber seine Schlüssel waren ja
weg...“
„Er hätte einen Schlosser anrufen können.“
„So spät in der Nacht? Vergessen Sie nicht, daß
ich seinen Schlüsselbund im Park von La Feuilleraie gefunden habe.“
„Ich merke schon“, sagte Hélène, „daß Sie gerade
dabei sind, noch eine Ihrer Ideen zu revidieren.“
„Wenn Roland sich einen Revolver im Antinéa besorgen konnte“, sagte ich, „dann konnte es Dumonteil ebenso. Jetzt, da ich
den Kerl kenne, traue ich ihm alles zu.“
„Sogar den Mord an Péricat?“
„Warum nicht? Dumonteil schläft mit Joëlle,
jedenfalls so ungefähr. Deswegen heckt er diesen teuflischen Plan gegen ihren
Vater aus. Er hat sowohl Joëlle als auch Roland in der Hand. Wenn Flauvigny
sen. stirbt, gehört das Erbe so gut wie ihm. Nehmen wir an, Dr. Péricat kommt
ihm gestern irgendwie in die Quere. Also... In Joëlles Badezimmer gibt es kein
trockenes Handtuch, und der Teppich in ihrem Schlafzimmer weist einen feuchten
Fleck auf.“
„Dumonteil hat Blutspuren ausgewaschen?“
„Ge-nau! Der Arzt ist tot, und die Inszenierung
seines Selbstmordes läuft so ab, wie ich sie mir — allerdings mit Flauvigny
oder seinem Butler in der Hauptrolle — vorgestellt habe. Zwei Inszenierungen am
selben Tag, das ist zuviel für Dumonteil, der schließlich kein Gaston Baty ist!
Es verlangt ihn, alles im Drogenrausch zu vergessen, und er eilt ins Antinéa ...
und bekommt seine Strafe. Immanente Gerechtigkeit oder so.“
„Joëlle ist völlig aufgewühlt, geht in ihrem
Zimmer auf und ab, nähert sich dem Fenster und sieht Sie im Park.“
„Beherbergt mich und versucht, meinen
angeschlagenen Zustand auszunutzen, um mich in die Tasche zu stecken... Der
Anwalt ihres Vaters macht ihr Angst, da sie seinen Besuch
ungerechtfertigterweise damit in Zusammenhang bringt, was ein paar Stunden
vorher in La Feuilleraie passiert ist.“
„Und was hat die Agentur Fiat Lux von dem ganzen
Durcheinander?“ fragte Hélène seufzend.
„Keine Ahnung. Zu Hause werde ich erst mal ein
wenig Ordnung in meinen Gedankensalat bringen. Wieder eine schlaflose Nacht in
Aussicht! Schlafen kann ich ja dann am Ende des Monats...“
Ich sollte tatsächlich keinen Schlaf finden!
Ich brachte zuerst Hélène nach Hause. Als ich
kurz darauf dann meine eigene Wohnungstür — mit meinem eigenen Schlüssel! —
aufschloß, stieg mir Tabakgeruch in die Nase. Ich zückte meinen Revolver und
näherte mich im Dunkeln dem Büro, aus dem der Geruch kam.
„Spiel hier nicht den Blödmann und mach Licht“,
knurrte eine Stimmte mit Marseiller Akzent. „Ich bin hierhergekommen, um mit
dir zu reden.“
Ich knipste das Licht an. Wieder warteten zwei
Personen auf mich. Diesmal ein Mann und eine Frau. Die Frau war unverkennbar
eine Hure, und der Mann wußte offensichtlich nichts mit seinen Händen
anzufangen. Um seine Verlegenheit ein wenig zu überspielen, hielt er eine sehr
wirksame Automatic in seiner Rechten. Das mürrische Gesicht mit dem
schwarzen Schnurrbart ähnelte verteufelt den Fotos, die in den Zeitungen
veröffentlicht worden war.
Der Mann war Riton, genannt „der Spinner“.
19
Riton-der-Spinner
„Potz Blitz!“ rief ich. „Am Ende werd ich noch
glauben, was die Journalisten schreiben! Gibt es dich also tatsächlich, Riton?“
„Fängt ja gut an!“ kreischte die Frau. „Ich hab
dir doch gesagt, daß du spinnst!“
„Schnauze“, knurrte der Gangster.
Er saß in meinem schönsten Sessel. Seine
Freundin lehnte mit dem Hintern am Schreibtisch. Riton stand auf, und ohne die
Richtung seiner Waffe zu ändern, schlug er seiner Freundin freundschaftlich ins
Gesicht.
„Ist ja schon gut“, schmollte die Hure.
„Schnauze“, wiederholte er.
Das mußte wohl so ‘ne Art Losung zwischen den
beiden sein. Zu mir gewandt, schlug er vor:
„Stecken wir unsere Kanonen ein, verdammt
nochmal! Ich bin hier, um mit dir zu reden.“
Ich schob meinen Revolver in die Tasche, und er
folgte meinem Beispiel.
„Reden, worüber?“ fragte
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