Ein toter Lehrer / Roman
vor dem Eingang des Burberry-Ladens stand. Philip schritt beherzt durchs Bild und machte Lucia ein Zeichen nachzukommen.
»Du weißt, was vorgefallen ist«, antwortete Lucia. »Was geschehen ist, ist geschehen. Das reicht.«
»Du hast eine Meinungsverschiedenheit mit deinem Chef. Wenn das allein ausreichen würde, würde die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung die Kündigung einreichen. Da vorne links ist es. Wir sind gleich da.«
»Hast du niemanden, der so etwas für dich erledigen kann?«
»Tja, leider hat keiner meiner Mitarbeiter dieselbe Beininnenlänge wie ich«, sagte Philip. »Der Besuch beim Schneider ist also etwas, was ich immer noch selbst über mich ergehen lassen muss. Obwohl ich gestehen muss, dass ich den Teil mit der Beininnenlänge durchaus genieße.«
»Na, na, na«, sagte Lucia, verdrehte die Augen und rang sich ein Lächeln ab. Schweigend gingen sie weiter, bis Philip erneut stehen blieb.
»Was ist jetzt?«, fragte Lucia. Sie drehte sich zu dem Geschäft um, an dem sie gerade vorbeigegangen waren. Im Schaufenster lagen Unterwäsche, Nachtwäsche für Damen und mehrere undefinierbare Kleidungsstücke, die überwiegend pink und flauschig waren. »Vielleicht will ich es auch gar nicht wissen.«
»Komm, wir suchen uns was zum Hinsetzen«, sagte Philip.
»Hinsetzen? Was ist denn mit deinem Anzug? Und sagtest du nicht, du musst gleich zu einer Sitzung?«
»Der Anzug kann warten. Und die Sitzung auch. Hier entlang.« Er nahm Lucia bei der Hand und führte sie denselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Sie überquerten die Bond Street und gingen eine mit Kunstgalerien und Autosalons gesäumte Seitenstraße entlang bis zum Berkeley Square, dann über einen Fußgängerüberweg und zum Parkeingang. Der gelbliche, strohige Rasen war mit Büroangestellten, Starbucks-Bechern und Fastfood-Tüten übersät. Die meisten Bänke waren auf ähnliche Weise besetzt und belegt, aber Philip lotste Lucia zu einer Bank in einer Ecke, die die Vögel in den Bäumen nur zur Hälfte mit weißen Punkten verziert hatten.
»Setz dich«, sagte Philip.
Lucia nahm Platz.
»Und jetzt erzähl«, sagte Philip.
Lucia schwieg.
Philip blickte argwöhnisch auf die Vogelkleckse. Er fuhr mit der Hand über den saubersten Teil der Bank und besah sich anschließend seine Handfläche. Dann ließ er sich neben Lucia nieder. »Erzähl«, forderte er sie noch einmal auf.
Lucia spürte Philips Bein an ihrem eigenen, und seine knochige Schulter drückte sich gegen ihre. Sie rutschte nach rechts, bis sich die Armlehne der Bank in ihre Rippen bohrte, aber mit einem kurzen Seitenblick auf die Sauerei neben sich auf der Bank rückte Philip auf. Lucia dachte an Walter und spannte alle Muskeln an, um nicht zu zittern. Sie wandte das Gesicht ab und sah einen Mann in einem schmuddeligen schwarzen Anzug, der sich mit einer ebenso ungepflegten Taube Brotkrumen teilte. Er warf ihr eine hin, aß eine, warf ihr wieder eine hin und aß wieder eine.
»Das bin nicht ich, Philip. Ich dachte, ich wäre es, aber ich habe mich getäuscht.«
»Was bist nicht du? Welcher Teil?«
»Alles. Die Leute. Die Arbeit. Die Entscheidungen.«
Philip lachte müde. »So ist das nun mal im Leben, Lucia. So ist das überall, mit allem. Nicht nur bei der Polizei.«
Lucia schüttelte den Kopf. Seufzend sah sie zum Himmel und ärgerte sich plötzlich über die Wolken. Es war immer noch heiß, brütend heiß, und das drohende Gewitter glich einem Niesen, das doch nicht kam. Alles lag im Ungewissen, ging es Lucia durch den Kopf. Alles lag im Ungewissen, und es gab keine Erlösung.
»Nein«, sagte sie. »Es ist mehr als das. Ich lag falsch. In Bezug auf Samuel. Auf die Schule, den Direktor. Ich glaube, ich habe mich getäuscht.«
»Du lagst nicht falsch.«
»Doch, ich glaube schon.«
»Nein«, sagte Philip mit einer Überzeugung in der Stimme, die Lucia sich herbeisehnte, aber nicht mehr hatte.
»Woher willst du das wissen, Philip?« Lucia stand auf und ging hin und her. »Du weißt doch nur, was ich dir gesagt habe.«
Philip nickte. »Das stimmt.«
»Hast du schon mal daran gedacht, dass ich etwas weggelassen haben könnte? Dass ich dir vielleicht nur erzählt habe, was dafürspricht, den Fall weiterzuverfolgen?«
»Aber Lucia, muss ich dich daran wirklich erinnern? Ich bin Rechtsanwalt. Natürlich habe ich daran gedacht.«
»Na also. Eben. Ich hatte also unrecht. Woher willst du denn wissen, dass nicht?«
Philip stand ebenfalls auf. Er klopfte sein
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