Ein toter Taucher nimmt kein Gold
der Stoß. Er fiel auf den Rücken, ruderte hilflos mit den Armen und vergaß vor Schreck zu atmen. Dann sah er, wie sich das Eisenrohr genau dort in den Sand bohrte, wo er eben noch gekniet hatte. Er wälzte sich herum, schwamm ein Stück weg und kehrte dann um.
Damms' Gesicht hinter dem großen, ovalen Brillenglas war verzerrt vor Entsetzen. Er ruderte mit den Armen, als sei er der Getroffene, und krächzte etwas Unverständliches ins Mikrofon. Chagrin schwamm ruhig um die Kanone herum und winkte Faerber beruhigend zu.
»Danke, René …«, sagte Faerber heiser. »Das vergesse ich Ihnen nie.«
Sie schwammen aufeinander zu, reichten sich die Hände und holten dann die Greifarme wieder herunter. Von oben erscholl in den Kopfhörern Pascales fröhliche Stimme.
»Habt ihr ein Problem da unten? Das Seil war völlig leer.«
Nichts in ihrer Stimme verriet etwas von dem Haß, der gerade zwischen den beiden Frauen ausgebrochen war. Ellen stand an der Winde, ließ die Greifer wieder hinunter und wartete, was Pascale vom Sprechgerät melden würde.
»Ist es abgerutscht?« fragte sie, als Pascale den Daumen nach unten streckte.
»Ja.«
»Und sonst?«
»Sonst nichts.«
»Sie sind wie eine Schlange, die ein goldenes Kaninchen frißt. Und Peter ist dieses dämliche Kaninchen.«
»Wollen Sie es verhindern?« Pascale lachte. Ihr Lachen war eine Folge von an- und abschwellenden Tönen, eine Perlenkette aus Koloraturen, kalt, gläsern und faszinierend zugleich. Sie hatte die Angewohnheit, sich beim Lachen zurückzubeugen. Dann spannten sich ihre schönen Brüste, schienen alles zu sprengen und mit den perlenden Tönen zu wachsen.
»Ich weiß, wie schön ich bin«, sagte Pascale. »Ich weiß, daß ein Mann, den ich anfasse, weiche Knochen bekommt und ich ihn modellieren kann, wie ich will. Und ich weiß, daß Sie keine Chance gegen mich haben, Ellen. Was nun?«
»Chagrin wird Sie grün und blau prügeln.«
Wieder dieses kalte, kaskadenhafte Lachen. »René ist auch nur ein Mann … Ein Brot reicht für einen Hungrigen und auch für zwei …«
»Wollen Sie aus dem Schiff ein Bordell machen?« rief Ellen. Die Greifer waren wieder auf dem Meeresboden angelangt, die Drahtspannung hatte nachgelassen. »Wir wissen alle, wo Sie herkommen!«
Pascales Lachen erstarb. Ihre grünlichen Augen veränderten sich. Das Glitzern des Triumphes verwandelte sich zu einem gefährlichen, starren Glanz. Sie kam langsam zur Winde und stellte sich neben Ellen, so nahe, daß sich ihre Arme berührten. Ein Strom von Haß und aufgeladener, knisternder Elektrizität verband sie plötzlich, als seien zwei Magnete aufeinandergestoßen.
»Mein deutsches Mädchen«, sagte Pascale langsam, »ich habe Nägel an den Fingern, die dir dein verfluchtes sauberes Gesicht zerreißen können.«
»Und ich habe Kraft genug«, sagte Ellen ebenso langsam, »dir deinen zierlichen Hals zuzudrücken.«
Sie sahen sich an, der Wind zerzauste ihre Haare und trieb sie ineinander, als würden sie bereits den Kampf beginnen. Wer sie so nebeneinander stehen sah, mußte sie bewundern – zwei in ihrer Art vollkommene Menschen, ein Bild der Schönheit.
Wo steht, daß die Hölle immer häßlich sein muß? »Was willst du tun?« fragte Pascale. »Alles hinausschreien? Pascale hurt mit Peter? Wer ist dann schuld, wenn auf dem Schiff fünf Teufel leben?«
»Ich werde mit Peter allein sprechen!«
»Welche Energie Verschwendung!« Pascale riß ihren Kopf zurück und damit ihr wehendes Haar aus Ellens Haaren. »Wer kann vernünftig mit einem Mann sprechen, wenn er zwischen den Schenkeln einer Frau liegt!«
Das war vor zwei Stunden.
Jetzt war das Kanonenrohr an Bord, lag auf einem Tisch, und die drei Männer hieben mit Meißel und Hammer die Muscheln ab.
Die Mittagssonne brannte unbarmherzig von einem wolkenlosen, blaßblauen Himmel. Ein Gewölbe aus kochender Luft und flimmerndem Dunst. Obgleich sie unter dem breiten Sonnensegel arbeiteten, floß Chagrin und Faerber der Schweiß über die Körper, als wären sie eben erst aus dem Meer getaucht und tropften wie vollgesogene Schwämme. Peter Damms untersuchte mit einer Lupe die freigelegten Eisenteile nach Spuren von Namenszeichen oder Prägungen. Er schwitzte kaum, es wäre auch verwunderlich gewesen, wenn aus seinem knochigen Körper noch ein Tropfen Flüssigkeit herausgekommen wäre.
Pascale saß auf einer Kiste, die Beine angezogen, das Kinn auf die Knie gestützt, eingehüllt in ihr leuchtendrotes Haar – eine
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