Ein toter Taucher nimmt kein Gold
arbeiteten nur mit kleinen Stichlampen, die sie vor die Stirn geschnallt hatten.
Faerber hob die Hand. Damms nickte mehrmals.
Fertig. Es kann gesprengt werden.
Sie schlichen sich langsam die letzten Meter an die Höhle heran …
Ellen schwamm ein Stück über den von der Sonne noch schwach beleuchteten, sandigen Meeresboden. Hier wuchsen auf verstreuten Steinen Kolonien von Seeanemonen und bizarre Korallengebilde. Sie schwamm an Tangfeldern und einem niedrigen Wald sich rhythmisch hin und her schwingender, rosafarbener, fingerdicker Stengel vorbei, deren Namen sie nicht kannte, von denen sie aber wußte, daß sie mit Nesselhaaren übersät waren, mit denen sie alles lähmten, was sie berührten. Kleine Fische, die in den wogenden Wald gerieten, wurden verschlungen, indem die Stengel sich über ihnen zusammenschlossen wie eine Falltür.
Der Boden senkte sich. Ellen folgte ihm und kam in die Region der Dämmerung. Hier stellte sie ihren Brustscheinwerfer an und erinnerte sich an Hans' Zeichnung. Die Schlucht mußte ganz nah sein; plötzlich würden Felsen den Sandboden ablösen und der merkwürdige Grabeneinbruch würde beginnen.
Sie holte noch einmal tief Atem und spürte kaum, daß sie weniger Sauerstoff bekam als üblich. Aber schon der dritte und ganz deutlich der vierte Atemzug war ein Saugen am Mundstück, aus dem nur noch ein Hauch von Sauerstoff kam.
Ellen tastete über den Atemschlauch, atmete noch einmal tief durch und bekam so viel Luft, wie gerade ausreichte, um noch einmal die Lungen zu blähen.
Plötzlich packte sie eine wahnsinnige Angst. Statt aufzutauchen, sich langsam hochtreiben zu lassen – denn so lange reichte der Luftvorrat noch –, verwandelte sie die Panik völlig und ließ sie nur noch einen Gedanken fassen: hinunter zu Hans!
Sie streckte die Arme aus und schoß vorwärts. Aus dem Mundstück wehte kaum noch Sauerstoff.
Hilf mir, schrie es in ihr. Hans, hilf mir …
Faerber und Damms hatten einen Vorsprung oberhalb der Krakenhöhle erreicht. Chagrin lauerte seitlich unter ihnen, Harpune und Pistole schußbereit. Der Felsen war rissig, von Muscheln überwuchert, und bot Möglichkeiten genug, die Plastiksprengladung so in das Gestein zu bringen, daß die Sprengwirkung verstärkt wurde. In einem geschlossenen Raum ist eine Explosion immer wirksamer als im Freien, das gilt auch unter Wasser.
Vorsichtig ließ sich Faerber tiefer sinken, bis er fast unmittelbar über dem Höhleneingang hing. Chagrin machte ein paar Zeichen.
Der Bursche merkt noch nichts … er ist im Bau. Faerber steckte die Sprengtafel vorsichtig in eine tiefe Spalte und verschloß sie dann mit Werg aus der Materialtasche. Über ihm hing Damms im Wasser, durch den dünnen Zünddraht verbunden. Und dann überstürzten sich die Ereignisse.
Zuerst war es ein Lichtschein, der plötzlich gegenüber auftauchte. Der Strahl eines Scheinwerfers, der genau auf die Höhle, auf Chagrin und Faerber traf.
Und im gleichen Augenblick brach die Hölle los.
Der Krake wälzte sich aus seiner Höhle.
Zuerst erschienen vier wogende Fangarme, riesige, baumstammdicke Gebilde, an denen die Saugnäpfe wie große, glotzende Augen saßen. Dann folgte der Körper, eine schwarze, trichterförmige Masse, ruckartig durch das Wasser schießend, in dem sie das Wasser einsog und wieder ausstieß. Im freien Raum vor der Höhle breiteten sich die acht Arme aus, und es war wirklich ein Ungeheuer aus greifenden Fingern, wie Chagrin es geschildert hatte. Ein acht Meter großes, grauenhaftes Ungetüm.
»Ellen!« schrie Faerber. »Es ist Ellen! Chagrin, tun Sie etwas!«
Es war ein Aufschrei in einem leeren Raum. Durch den Ausfall der Funkanlage hörte ihn niemand, aber es mußte etwas geschehen. Der Krake stand zwischen Faerber, Chagrin und Ellen. Ein Hindernis, das kaum zu überwinden war.
Auch Ellen starrte fassungslos auf das Ungetüm. Es schwebte im Lichtstrahl ihres Scheinwerfers auf sie zu, fast elegant, mit den riesigen Armen nach ihr winkend.
Sie versuchte auszuweichen, aber da war die Luft nicht mehr da, sie saugte an dem Mundstück – die Panik, zu ersticken, wurde übermächtig. Sie taumelte durch das Wasser, sah die Fangarme mit den glotzenden Saugnäpfen auf sich zukommen und hatte keine Kraft mehr, sich herumzuwerfen.
Faerber stieß sich im gleichen Augenblick vom Felsen ab, in dem Chagrin seinen ersten Harpunenschuß abfeuerte. Es war ein sinnloser Schuß – der Harpunenpfeil mit den Widerhaken bohrte sich in die geballte,
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