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Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Ein toter Taucher nimmt kein Gold

Titel: Ein toter Taucher nimmt kein Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hereingefallen, hier war bis heute ewige Nacht gewesen.
    Chagrin kam zurück zu Faerber und Damms. Hinter seinem großen, ovalen Brillenglas waren seine Augen weit geöffnet. Fahle Blässe lag über seinem Gesicht. Als er sprach, klang es wie ein Krächzen.
    »Wir sind mittendrin …«, sagte er stockend. »Mittendrin! Im mittleren Mannschaftsraum … Ich habe einen Berg von Gerippen gesehen … Mein Gott, welch ein Anblick! Sie liegen zu mehreren übereinander, als … als hätten sie sich gegenseitig erwürgt …«
    Eine Weile ruhten sie sich aus, setzten sich auf eine Felsnase und sagten kein Wort. Daß sie so schnell ans Ziel kommen würden, hatten sie nicht erwartet. Da lag ein fast erhaltenes Schiff über 400 Jahre auf dem Meeresgrund, konserviert durch Sand und eine geisterhafte Ruhe des Wassers, vielleicht auch durch eine besondere Präparierung des Holzes. Man hatte ja auch schon Wikingerschiffe gefunden, in denen sich weder Holzwurm noch Schimmel festgesetzt hatten. Es lag da mit einem Millionenschatz, und der Gedanke an seinen jetzigen Wert machte sie schwindlig. Sie hatten nur einen halben Meter Sand wegschaufeln müssen, um ein vergangenes Jahrhundert vor ihren Augen wieder lebendig werden zu lassen.
    Das war so phantastisch, im Augenblick auch so unbegreiflich, daß sowohl Chagrin wie auch Faerber eine Atempause brauchten, um das zu verkraften.
    Peter Damms war der erste, der sich rührte. Er hatte als Archäologe Erfahrungen mit den Überresten vergangener Jahrhunderte.
    Er hatte in Anatolien gegraben, in Ninive und am Niederrhein, nördlich von Xanten, wo er ein germanisches Grab freigelegt hatte. Für ihn war die Begegnung mit den Toten fast eine Leidenschaft geworden – er konnte sich in ihr Zeitalter zurückversetzen, als habe er die Uhr zurückgedreht.
    »Die Transportkörbe, Ellen!« rief er nach oben. »Die beiden Backbordwinden. Und schick zwei Äxte herunter und die kleine Elektrosäge.«
    »Er ist wie ein Jäger, der das Wild in der Fallgrube hat«, sagte Chagrin. »Faerber, was gäbe ich dafür, wenn man unter Wasser rauchen könnte. Jetzt eine Zigarette – ich würde eine Million dafür hinlegen.«
    »Werfen Sie nicht jetzt schon mit Ihrem Geld herum, René.« Aber Faerber war in der gleichen Stimmung. Außer einer Zigarette hätte er auch einen großen Kognak vertragen. »Wie viele Tote sind es?«
    »Ein ganzer Berg.« Chagrins Stimme tönte wieder fester. »Wie groß war die Besatzung einer Karavelle?«
    »Das ist Peters Fachgebiet.«
    »Es war unterschiedlich.« Damms blickte nach oben. Der erste Transportkorb sank neben dem Rettungskäfig langsam in die Tiefe. »War es ein reines Transportschiff, hatten sie nur eine militärische Begleitung an Bord, wegen der Piraten. War es eine Kriegskaravelle, dann können bis zu dreihundert Mann auf dem Schiff sein. Die Zephyrus war beides, Handelsschiff und Kriegsschiff. Ein reiner Goldtransport aus dem Eldorado der eroberten Gebiete. Wir werden es ja sehen.«
    »Und wo liegen die Schatzkisten?« fragte Chagrin.
    »Im Kommandantenteil meistens. Am Bug kaum, das war zu gefährlich. Damals gehörte zur Seekriegstaktik das Rammen, und das geschah mit dem eisenbeschlagenen Bug. Es gab Schiffe mit weitausladenden, massiven, dicken Eisenspitzen. Überdimensionierte Speere, die sich in die Gegner bohrten.«
    »Das heißt also: Wenn wir durch das Loch einsteigen, müssen wir – falls möglich – durch das Schiff nach hinten wandern.« Chagrin blickte über den sandigen Meeresboden. »Wenn man jetzt wüßte, wo da unten hinten und wo vorn ist!«
    »Ich werde vorausschwimmen.« Peter Damms zog den Transportkorb an dem Nylonseil zu sich heran. Chagrin hatte recht behalten: Hier unten gab es keine Gegnerschaft mehr, keine Todfeindschaft, nur noch das alle miteinander verbindende Erlebnis, auf einem goldenen Teppich zu stehen.
    »Gut«, sagte Chagrin. »Sie schwimmen voraus. Aber wir binden Ihnen ein Seil um den Leib, damit wir Sie immer in der Nähe haben. Ich bin zwar noch nie durch ein gesunkenes Schiff gegangen, aber ich weiß aus Berichten anderer Taucher, daß sie plötzlich irgendwo festgeklemmt waren und nur unter größten Schwierigkeiten oder mit Hilfe ihrer Kameraden mit dem Leben davonkamen. Stellen Sie sich vor, ein Teil des Schiffes bricht hinter Ihnen zusammen und schneidet Ihnen den Rückweg ab!«
    »Das ist möglich.« Damms Stimme klang fast gleichgültig. »Man kann da unten eine Tür öffnen, und alles stürzt ein.« Er sah Chagrin durch

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