Ein Traum in roter Seide
Tyler sie leise auf und gab ihr einen freundschaftlichen Stoß in die Seite.
„Oh ..." Plötzlich verging ihr das Lächeln, das sie auf die Lip pen gezaubert hatte, denn sie merkte beim Aufstehen, dass ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten. Tyler hatte jedoch die Situation im Griff und legte Michelle die Hand fest unter den Ellbogen Sie blickte ihn an. In ihren Augen schimmerten Tränen. „Danke" , sagte sie leise. „Ich werde nie vergessen, wie sehr du mir heute geholfen hast. Du bist wirklich ein guter Freund, Tyler."
Draußen schien ihnen die Sonne ins Gesicht, und Michelle war froh, dass kaum jemand sie beachtete, denn alle waren mit den Hochzeitsfotos beschäftigt.
„Was ist mit dem Empfang?" fragte Tyler, während er sie vorsichtig die ausgetretenen Steinstufen hinunterführte. „Willst du immer noch mitkommen?"
„Ja, ich bin fest entschlossen", erwiderte sie hart.
„Gut. Ich freue mich darauf, dass dieser Schuft sich noch un behaglicher fühlt."
Michelle blieb unvermittelt stehen und sah Tyler verblüfft an. „Hasst du Kevin etwa?"
„Ja", antwortete er, und sein Blick wirkte kühler und härter als je zuvor.
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„Warum denn? Was hat er dir getan?"
„Er benutzt die Menschen", erklärte er. „Solche Leute mag ich nicht."
„Hallo, Tyler", ertönte plötzlich eine weibliche Stimme hinter ihnen.
Michelle drehte sich um. Ihr Mut sank, als sie Cleo in einem eleganten und exklusiven Outfit in Silbergrau erblickte.
Cleo war Tylers einzige Schwester. Sie war einige Jahre jünger als er und noch Single. Michelle war ihr mehrmals auf T ylers Partys begegnet und hatte immer das Gefühl gehabt, Cleo würde sie nicht mögen.
„Hallo, Schwesterherz", begrüßte Tyler sie. „Ich bin überrascht, dass du hier bist. Hast du Kevin so gut gekannt?"
„Nein, ich bin der Braut zuliebe gekommen", erwiderte Cleo mit ihrer glasklaren Stimme. Sie sprach genauso betont akzentfrei wie die anderen Mitglieder des Jetsets von Sydney.
Michelle liebte Tylers australischen Akzent und war froh, dass er keine Ambitionen hatte, daran etwas zu ändern.
„Danni und ich sind zusammen zur Schule gegangen", fügte Cleo hinzu. Dann blickte sie Michelle mit ihren eisblauen Augen an.
„Hallo, Michelle. Dass du auch hier bist, überrascht mich sehr. Hast du sie mitgebracht, Tyler?" fragte sie so vorwurfsvoll, dass Michelle und Tyler sich versteiften.
„Natürlich. Warum auch nicht?" antwortete er kurz angebun den.
„Danni wird sich bestimmt nicht freuen, dass Kevins Exfreundin auf ihrer Hochzeit erscheint."
„Red doch keinen Unsinn", fuhr Tyler sie an. „Die Beziehung ist schon monatelang zu Ende. Außerdem hat auch Michelle eine Einladung erhalten."
Cleo blickte ihren Bruder skeptisch und missbilligend an. Doch in dem Moment gesellte sich der Bräutigam zu ihnen. Er stellte sich demonstrativ zwischen Michelle und Tyler und hakte sich bei ihnen ein.
Er lächelte. „Wie schön! Meine beiden besten Freunde aus meiner Studentenzeit sind gekommen, um dabei zu sein, wenn ich den Bund fürs Leben schließe", sagte Kevin unverschämt gönnerhaft und scheinheilig. „Und ich hatte schon gedacht, du hättest mich vergessen, Michelle. Du hast auf meine Einladung nicht reagiert, deshalb hatte ich keine Ahnung, dass du kommen wür dest. Aber ich verzeihe dir, 35
weil du heute so umwerfend gut aussiehst. Und du, Tyler ... Ob ich dir verzeihen kann, dass du nicht auf meiner Party erschienen bist, weiß ich noch nicht. Du hast etwas versäumt. War es die Frau wenigstens wert?" Er lachte vielsagend.
Das war Michelle neu. Tyler hatte nicht erwähnt, dass Kevin ihn zu seiner Abschiedsparty vom Junggesellendasein eingeladen hatte.
„Ganz bestimmt", antwortete Tyler höflich. „Ich bin mit Michelle zum Dinner und zum Tanzen ausgegangen." Er lächelte sie warm und liebevoll an, und es wirkte so sexy und verführerisch, dass sie völlig irritiert war. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie vereinbart hatten, so zu tun, als wären sie ein Paar.
Kevins überhebliche Miene verschwand, während Tylers Schwester erst Michelle und dann ihren Bruder ansah.
„Heißt das, du und Michelle seid jetzt zusammen?" fragte Cleo.
„Ja. Warum willst du das wissen?" entgegnete Tyler kühl. „Hast du ein Problem damit?"
Michelle spürte, wie sehr Cleo sich beherrschen musste, höflich zu bleiben und nicht zu sagen, was sie offenbar gern gesagt hätte.
„Nein", antwortete sie steif. „Natürlich nicht. Ich bin nur überrascht, das ist
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