Ein Traum in roter Seide
sie gefällt mir, ich würde mich gern auf ihn stürzen, schoss es ihr durch den Kopf. Offenbar hatte sie doch mehr getrunken, als ihr bewusst war.
„Ich werde dich in dein Apartment begleiten und dafür sorgen, dass du dich ins Bett legst."
Michelle schloss sekundenlang die Augen und versuchte, das Bild zu verdrängen, das vor ihr aufstieg. Es gelang ihr jedoch nicht. Im Gegenteil, in ihrer Fantasie malte sie sich alles Mögliche aus.
„Ist dir übel?"
Rasch machte sie die Augen wieder auf. „Nein", erwiderte sie erschöpft und wünschte beinah, es wäre so. Alles wäre besser als diese erregende Wärme, die sich in ihr ausbreitete, und die Ge danken, die wie ein Videofilm vor ihr abzulaufen schienen.
„Wenn dir unterwegs übel wird, musst du schreien. Dann halte ich sogleich an. Ich habe Erfahrung damit, Beschwipste nach Hause zu fahren."
Michelle hätte zu gern gewusst, ob er männliche oder weibliche Beschwipste meinte. Sie fragte ihn jedoch nicht, sondern antwortete nur: „Okay. Kannst du jetzt bitte fahren?"
Sie wollte sich nicht mehr mit ihm unterhalten oder ihn ansehen, und sie wollte auch nicht noch einmal so etwas Unmögliches sagen.
Deshalb war sie froh, dass er endlich losfuhr. Sie schloss die Augen und lehnte sich auf dem Ledersitz zurück. Irgendwie musste es ihr doch gelingen, einen klaren Kopf zu bekommen und die erotischen Gedanken zu beherrschen, die ins Reich der Fantasie gehörten. Tyler war für sie nichts anderes als ein aufregender, aber unerreichbarer Mann.
Viel zu rasch waren sie dann am Ziel. Michelle hatte weder einen klaren Kopf, noch hatte sie ihre Gefühle unter Kontrolle, als er auf einen der Besucherparkplätze in der Tiefgarage fuhr.
„Hast du die Chipkarte zum Öffnen der Tür eingesteckt?" fragte er, während er ihr beim Aussteigen half.
„Was? Ach so, ja." Sie zog die Chipkarte aus ihrer Tasche und ging mit Tyler durch die Sicherheitstür und dann die beiden Treppen 51
hinauf. Dabei legte er ihr wieder höflich die Hand unter den Ellbogen.
Dieses Mal zwang Michelle sich, es einfach hinzunehmen und keinen Aufstand zu machen. Plötzlich war sie sich seiner Berührung viel zu sehr bewusst. Sie spürte die Wärme seines Körpers, und seine Hand auf ihrem Arm fühlte sich geradezu heiß an.
Als sie in ihrer Wohnung waren, konnte Michelle nicht rasch genug von ihm wegkommen. „Hast du etwas dagegen, dass ich dich kurz allein lasse? Ich möchte duschen und mich umziehen", improvisierte sie. „Dieses Outfit kann ich keine Sekunde länger ertragen. Es ist schrecklich unbequem."
„Das ist okay für mich", antwortete er ruhig. „Ist es dir Recht,dass ich mir in der Zwischenzeit einen Kaffee mache? Ich habe meinen vorhin stehen lassen."
„Fühl dich wie zu Hause", forderte sie ihn auf und eilte ins Badezimmer.
Michelle stand schon unter der Dusche, als ih r einfiel, dass sie in der Eile vergessen hatte, sich etwas anderes zum Anziehen mit zubringen.
Sie musste, um ins Schlafzimmer zu gelangen, das Wohnzimmer durchqueren. Und da saß Tyler. Niemals würde sie nur in ein Badetuch eingehüllt an ihm vorbeigehen.
Sie sah sich in dem von Wasserdampf erfüllten Bad um. Erleichtert entdeckte sie den Bademantel, der an dem Haken an der Tür hing. Er gehörte Kevin. Sie hatte ihn gewaschen und wieder hingehängt, weil sie erwartet hatte, Kevin würde eines Tages zurückkommen. Ich war unglaublich dumm und naiv, sagte sie sich zum hundertsten Mal an diesem Abend. Jedenfalls war der Bademantel weit und groß und auch dick genug, so dass sie sich darin einhüllen und sicher fühlen konnte.
Michelle ließ das warme Wasser über ihren Körper strömen und wusch sich das Make-up vom Gesicht. Und das so kunstvoll frisierte Haar wusch sie gleich mit. Als sie sich fünfzehn Minuten später im Spiegel betrachtete, war sie sehr beruhigt. Mit ihrer hellen Haut, den braunen Augen und dem feuchten Haar, das ihr auf die Schultern fiel, fühlte sie sich in diesem Moment ausge sprochen wohl. Nur ein ganz normaler Mann würde sich jetzt noch für sie interessieren, aber ein umwerfend attraktiver Playboy, der die schönsten und auffallendsten Frauen haben konnte, bestimmt nicht.
Sie nahm ein sauberes Frottiertuch in die Hand und ging mit betont 52
gelassener und unbekümmerter Miene ins Wohnzimmer. Dabei rieb sie sich das Haar trocken. Tyler hatte den Fernseher eingeschaltet und saß bequem zurückgelehnt in dem Sessel am Fenster. In den Händen hielt er einen dampfenden Becher
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