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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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einem alttestamentarischen Gott, der zürnt und straft und rächt, zu einer gewissen Hasenfußtaktik.
    Ich muss, wieder in Deutschland, dringend meine Mutter fragen, ob sie mal was mit einem Latino hatte.
    Rasch hat sich der Aufruhr gelegt, denn inzwischen haben alle Besucher des Monuments Christiane zur Kenntnis genommen, die sich, wie Charlton Heston als Moses mit den Gesetzestafeln auf dem Berg Sinai, mit ihrem Schildchen in der Hand den nötigen Respekt verschafft hat. Gut gemacht. Sehr gut.
    Eine Viertelstunde später ist wieder Business as usual angesagt, nur der Souvenir- und Devotionalienverkauf hat enorm angezogen.
     
    »Vielleicht noch ein zweites Standbein für dich. Bist ja die reinste Führernatur«,
     
    sage ich.
     
    »Nee, nee, lass mal. Mir reicht meine
Ver
führernatur.«
    »Echt? Immer noch so umtriebig?«
    »Was denkst du?«
    »Nun, eigentlich, dass du angekommen bist.«
    »Wo?«
    »… hm … bei dir?«
    »Ha-ha-ha-ha! strahl ich das aus? So was wie Sesshaftigkeit, weil ich inzwischen so breit wie hoch bin?«
    »Was? Quatsch, nein, mir ist nur dein besonders liebevoller Umgang mit dem Kollegen Adolph Zaluskowski aufgefallen.«
    »Mein wichtigster Mensch.«
    »Eben. Und das merkt man. Ist doch wunderbar.«
    »Wie man’s nimmt. Ist nicht alles so einfach, wie’s aussieht.«
    »Wegen … wegen des Altersunterschieds?«
    »Nö, dass der schon so alt ist, stört mich nicht. Ist nur so, dass einen alle ständig angaffen, Fragen stellen, sich wundern. Das nervt.«
    »Tut mir leid. Ich hoffe, ich bin grad nicht auch ›alle‹!?«
    »Nein, im Gegenteil, tut gut, mal vernünftig darüber zu reden.«
    »Seit wann …?«
    »Seit fünf Monaten.«
    »Oh, das ist noch nicht lang. Aber es hat euch voll erwischt, was?«
    »So kann man es ausdrücken.«
     
    Ihre Augen werden feucht.
     
    »Siehste. Und das meine ich mit ›angekommen‹. Du bist ja komplett berührt von ihm.«
    »Rührung … ja, vielleicht … auch, aber in erster Linie ist es Liebe. Außerdem hab ich ihm so viel zu verdanken.«
    »Ich denke, ihr … tut einander einfach gut. Er scheint dich zu erden, und du bist sein Elixier.«
    »Gut gesagt.«
    »Wohnt ihr zusammen?«
    »Das fehlte noch, nee, nee, ich bin immer da, und das weiß er auch, aber wir wollen’s nicht übertreiben …«
    »… Also ist der nächste Schritt nicht der in die Kirche?«
    »Du blödes Arschloch. Kannst du deine saudoofe Ironie nicht einmal weglassen?«
    »Häh? wieso? Ich meine, so wie du redest, so angefasst wie du wirkst …«
    »Wir haben bestimmt noch ein, zwei gute Jahre, und so lange will ich an Kirche und Friedhof und so’n Scheiß nicht denken müssen!«
    »– – – – – Friedhof.«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass mein Vater noch die Kurve kriegt!?«
    »– – – – – Vater.«
    »Sag mal, hast du ’n Papagei gefrühstückt? Mein alter Herr hat Krebs im Endstadium, und der Rademann hat ihm als guter Freund, der er ist, diese vielleicht letzte große Freude gemacht und ihn mit aufs Traumschiff genommen. Das hat sich ja wohl inzwischen rumgesprochen. Oder dachtest du etwa …?«
    »Was? Unsinn. Nein, nee! Das ist … das ist natürlich … das ist … Wow. Rademann …«
     
    Wie vom Donner gerührt bin ich, und »Rademann« ist das Letzte, was ich an diesem Tag zu ihr sage.
    – – – – – gute Jahre.
    Schweigend machen wir uns danach auf den Weg zum Busbahnhof und genießen, jeder auf seine Weise, die Fahrt zurück im Licht der untergehenden Sonne.

19
    Papeete, Dienstag, 19. Januar, 9.42 Uhr
    Bin soeben, nach Stop-over auf der Osterinsel, in der tahitianischen Hauptstadt Papeete gelandet. Spontan fallen mir die von heiterer Gelassenheit und süßem Nichtstun geprägten Bilder eines Gauguin ein, auf denen einheimische Schönheiten mit Blumen im Haar mit der Natur um sie herum wetteifern, wer nun schöner ist. Mein Gott, das muss lange her sein!
    Der überwiegende Baustoff dieser extrem hässlichen Stadt scheint Wellblech zu sein, und auch ansonsten haben hier Kolonialmacht und Kirche ganze Arbeit geleistet, dafür zu sorgen, dass so etwas wie Charme von Ursprünglichkeit und Erhalt kultureller Identität quasi nicht mehr vorkommen. Willkommen in Französisch-Polynesien! Wenn Gauguins Models ihre unförmigen Urenkelinnen durch die verdreckten Straßen dieser größten der sogenannten Gesellschaftsinseln streunen sähen, sie hätten sich das mit dem Kinderkriegen noch mal überlegt. Der Aufenthalt hier ist zum

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