Ein Traummann auf Mallorca
betrat. Javier hatte vermutlich bereits gefrühstückt oder er würde später kommen – jedenfalls schien Dolores sich absolut sicher zu fühlen.
Ganz im Gegensatz zu Aurora. Die Kleine war förmlich erstarrt. Stocksteif saß sie an ihrem Platz und starrte auf das mit Marmelade bestrichene Brötchen, das auf ihrem Teller lag. Es war nicht zu übersehen, dass sich Aurora vor der Assistentin ihres Vaters fürchtete. Kein Wunder, bei dem rüden Tonfall, den Dolores dem Mädchen gegenüber an den Tag legte. Doch irgendwie schaffte Aurora es, ihre Furcht zu überwinden. „Du hast mir gar nichts zu sagen“, entgegnete sie – wenn auch so leise, dass man ganz genau hinhören musste, um sie zu verstehen. „Du bist nicht meine Mamá !“
Dolores war sichtlich erstaunt über das kurze Aufflackern von Widerstand – doch von Reue keine Spur. Im Gegenteil. Sie lachte sogar. „Nein, por dio , zum Glück bin ich das nicht! Auf der anderen Seite: Als meine Tochter hättest du wenigstens eine anständige Erziehung genossen!“
Charlene hatte genug gehört. Dolores’ Verhalten war ihr von Anfang an unverschämt vorgekommen. Die letzte Bemerkung aber schlug dem Fass den Boden aus. Es überraschte sie nun nicht mehr, dass Aurora so still und verschlossen war. Und eines stand fest: Sie würde nicht zulassen, dass es auf diese Weise weiterging. Tief durchatmend wappnete sie sich für eine Konfrontation, dann räusperte sie sich vernehmlich.
Dolores wirbelte herum. Im ersten Augenblick wirkte sie wie ertappt, doch nachdem die erste Schrecksekunde vorüber war, reckte sie herausfordernd das Kinn. Du kannst mir nichts, sagte ihre hochmütige Miene. Versuch es ruhig, aber gegen mich kommst du nicht an.
Charlene straffte die Schultern. Das werden wir ja sehen … Sie wandte sich ruhig an Aurora, die nach wie vor mit gesenktem Blick am Tisch saß und auf ihren Teller starrte. „Würdest du bitte einen Moment draußen warten, Süße? Señorita Dolores und ich haben etwas Dringendes zu besprechen.“
Das Mädchen nickte stumm, stand auf und ging zur Tür. Um Dolores machte es einen großen Bogen.
„Weiß Señor Santiago, wie Sie mit seiner Tochter umspringen?“ Charlene sprach leise, aber ihr Ton war entschlossen. „Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass er ein solches Verhalten billigen würde.“
„Sie kennen Ihren neuen Boss noch nicht gut genug“, entgegnete Dolores scheinbar gelassen. „Ihm ist sehr bewusst, was er an mir hat. Bemühen Sie sich also gar nicht erst, ihn gegen mich aufzubringen, wenn Ihnen Ihr Job lieb ist. Sie können mir glauben, sollten Sie auch nur erwägen, mich bei ihm anzuschwärzen, werden Sie …“
Sie verstummte abrupt, und als hätte sie es angeknipst, erschien ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht. Verblüfft beobachtete Charlene die Veränderung, und im nächsten Moment erkannte sie auch den Grund dafür: Javier hatte den Raum betreten.
„Was geht hier vor?“ Javier hielt die noch immer völlig verunsicherte Aurora an der Hand und sah auffordernd zwischen Dolores und Charlene hin und her. „Also? Kann mich vielleicht einmal jemand aufklären?“
„Es ist nichts“, setzte seine Assistentin gerade zu einer Erwiderung an, als Charlene sich einschaltete.
„Könnte ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?“
Javier nickte. „ Sí , natürlich. Kommen Sie.“
Charlene ignorierte den drohenden Blick, den Dolores ihr zuschoss, und folgte Javier hinaus auf den Korridor. „Also, was ist dort drinnen gerade vorgefallen? Und keine Ausflüchte, bitte. Aurora ist vollkommen durcheinander, das war deutlich zu erkennen.“
„Ist Ihnen bekannt, wie Ihre Angestellte mit Ihrer Tochter umgeht?“
„Dolores?“ Überrascht runzelte Javier die Stirn. „Nun, sie mag manchmal vielleicht ein bisschen übereifrig sein, da ihr die Erfahrung mit Kindern fehlt. Aber ich glaube, dass sie sich sehr um Auroras Zuneigung bemüht.“
„Ich dachte mir bereits, dass Sie etwas in der Art sagen würden“, entgegnete Charlene mit einem wissenden Nicken. „Und wenn Sie in der Nähe sind, verhält sie sich vermutlich auch so. Aber Sie sollten wissen, dass die Dinge etwas anders liegen, wenn Señorita Dolores mit Ihrer Tochter allein ist.“
Eine steile Falte erschien an seiner Nasenwurzel. „Das bedeutet im Klartext?“
Charlene zögerte kurz. Vermutlich machte sie sich, wenn sie Javier die Augen öffnete, gleich an ihrem ersten Arbeitstag eine erbitterte Feindin. Aber sei’s drum, dachte
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