Ein Traummann auf Mallorca
ungewöhnliche Blauviolett ihrer Augen hatte es ihm angetan. Ihr Blick war sanft und klar – ehrlich und voller Unschuld. Auf ihn wirkte sie wie eine Wassernymphe, bezaubernd und ätherisch. Er konnte sie förmlich vor sich sehen: auf dem gemauerten Rand eines Brunnens sitzend und ihr herrliches rotblondes Haar kämmend …
Das Klingeln des Telefons auf seinem Schreibtisch holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Es handelte sich um einen internen Anruf aus einem der Gästezimmer. Er brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu sortieren, dann nahm er den Hörer ab.
„Sí?“
„Ich bin es noch mal“, erklang Dolores’ Stimme am anderen Ende der Leitung. „Mir ist da eben etwas eingefallen.“
„Und was?“
„Nun, mir kam der Name Beckett die ganze Zeit irgendwie bekannt vor. Dann fiel der Groschen. Und ein paar kurze Anrufe haben es mir bestätigt.“
Javier begriff nicht, worauf sie hinauswollte. „Was bestätigt? Wovon redest du?“
„Davon, dass deine neue Angestellte niemand anderes ist als die Tochter von Graham Beckett – du weißt schon, von Beckett’s Dockyard.“
Er runzelte die Stirn. „Und? Das eine muss ja nichts mit dem anderen zu tun haben, oder? Charlene Beckett ist ausgebildete Erzieherin, das ist alles, was mich interessiert.“
„Und was ist, wenn ihr Vater derjenige ist, der dir solche Schwierigkeiten macht? Ich habe mich erkundigt, Javier. Beckett hat in den vergangenen Monaten gerade einmal eine Bestellung erhalten und ausgeführt. Rein wirtschaftlich betrachtet müsste er bei der Auftragslage längst bankrott sein – es sei denn …“
„Du willst andeuten, dass er der kriminelle Geschäftemacher sein könnte?“ Javier runzelte die Stirn. „Aber wie soll er an die Bauteile aus unserem Bestand gekommen sein? Und was hat das alles mit Charlene zu tun?“
„Ich habe keine Ahnung, wer sich im Lager bedient hat. Aber was unsere Señorita Beckett betrifft, so liegen ihre Absichten ja wohl auf der Hand: Sie hat sich bei dir eingeschleust, um für ihren Vater zu spionieren – was sonst?“
„Meinst du nicht, da geht deine Fantasie ein wenig mit dir durch? Ich glaube jedenfalls nicht … Ach, lassen wir das. Ich habe noch zu tun.“ Javier beendete das Gespräch, lehnte sich in seinem Bürosessel zurück und rieb sich nachdenklich übers Kinn. Es war etwas dran an dem, was Dolores sagte. Bei genauerer Betrachtung erschien es auch ihm verdächtig, dass Charlene Beckett sich ausgerechnet für eine Anstellung bei ihm beworben hatte. War sie also tatsächlich eine Spionin? Und ihr Interesse für Aurora nur vorgetäuscht?
Nun, er würde es herausfinden. Und eines stand fest: Sollte sich bestätigen, dass sich Charlene Beckett mit Hintergedanken in sein Haus geschlichen hatte, würde sie es bitter bereuen, sich mit ihm angelegt zu haben.
Javier Santiago war kein Mann, der sich von einer Frau auf der Nase herumtanzen ließ!
4. KAPITEL
„Nun sitz doch endlich mal still, Kind! Dieses ewige Hin- und Herkippeln macht einen ja ganz verrückt!“ Als sie Dolores’ fauchende Stimme hörte, blieb Charlene wie angewurzelt vor der Tür zum Esszimmer stehen. Sie war am vergangenen Nachmittag kurz nach Hause gefahren, um ihre Sachen zu packen, danach hatte sie ihren Vater im Krankenhaus besucht und ihm berichtet, dass die Finanzierung seiner weiteren Behandlung gesichert war, weil sie eine Anstellung gefunden hatte. Bei wem, hatte sie allerdings lieber verschwiegen. Graham Beckett wäre nicht begeistert gewesen zu erfahren, dass seine Tochter ausgerechnet bei seinem größten Konkurrenten arbeitete. Gegen Abend war sie wieder zur Villa ihres neuen Arbeitgebers gefahren, wo die Hausangestellte Jolanda sie freundlich in Empfang genommen hatte.
Der Gedanke, dass sie für Javier Santiago arbeiten würde, hatte auch Charlene eine unruhige Nacht beschert, und die ungewohnte Umgebung tat ein Übriges. Dabei war das Gästezimmer, in dem sie fürs Erste wohnte, wirklich ein Traum. Es hatte sogar einen Balkon mit Meerblick, und Jolanda las ihr jeden Wunsch von den Augen ab.
Doch das waren im Grunde nur Nebensächlichkeiten, denn vor allen Dingen ging es Charlene darum, Javier Santiagos Tochter zu helfen. Das Mädchen erinnerte sie an sich selbst in diesem Alter. Und wenn es ihr irgendwie möglich war, wollte sie dafür sorgen, dass die Kleine nicht dasselbe traurige Schicksal erleiden musste wie sie selbst.
Die Sechsjährige und Dolores saßen allein am Tisch, als Charlene das Esszimmer
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