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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Sacktuch gewickelten Schalen ein. Hatte ich sie im Wagen liegenlassen?
    Ich wollte gerade aufstehen und in die Garage gehen, um sie zu suchen – denn sie mußten noch gründlicher gereinigt werden als die Flaschen und hinter Schloß und Riegel verwahrt werden –, als mir mit plötzlichem Schrecken bewußt wurde, daß ich beinahe Gegenwart und Vergangenheit verwechselt hätte. Die Schalen hatte Roger seinem Bruder gegeben und nicht etwa mir.
    Ich saß regungslos, und mein Herz klopfte schwer. Bisher hatte es keine Verwirrungen gegeben. Die beiden Welten waren deutlich voneinander getrennt. Waren Schwindel und Übelkeit so stark gewesen, daß Vergangenheit und Gegenwart jetzt in meinem Geiste ineinander übergingen? Oder hatte ich die Mixtur zu stark dosiert? Es war schwer zu sagen. Ich griff nach der Sessellehne. Sie war fest und real. Alles, was mich umgab, war real, auch die Rückfahrt, der Arzt, der Steinbruch mit den alten Büchsen und dem Schiefer. Nicht aber das Haus über der Flußmündung und die Leute darin, der Sterbende, der Mönch, die in Sacktuch gewickelten Schalen – sie waren Produkte der Droge, einer Droge, die mein klares Hirn verwirrt hatte.
    Jetzt ärgerte ich mich nicht so sehr über mich selbst, das geduldige Versuchskaninchen, als über Magnus. Er war sich seines Wundermittels noch nicht sicher. Er wußte nicht, was er tat. Kein Wunder, daß er mich bat, ihm die Flasche B zu schicken, damit er den Inhalt an seinem Laboraffen ausprobieren konnte. Er hatte den Verdacht gehabt, daß irgend etwas nicht stimmte, und jetzt konnte ich ihm sagen, was es war. Übersteigerte Heiterkeit und Depression waren nebensächlich, es zählte nur die Verwirrung der Denkvorgänge. Die Verschmelzung zweier Welten. Aber das langte. Ich hatte genug. Magnus konnte seine Experimente an einem Dutzend Affen machen, aber nicht mehr an mir.
    Das Telefon läutete. Ich fuhr erschreckt im Sessel hoch und ging in die Bibliothek. Und verfluchte seine telepathischen Kräfte. Er würde mir sagen, er habe genau gewußt, wo ich gewesen sei, das Haus über der Mündung sei ihm vertraut, ich brauche mir keine Sorgen zu machen, alles sei vollkommen ungefährlich, vorausgesetzt, daß ich niemanden berührt hätte; wenn mir übel sei oder ich mich etwas unsicher fühlte, so sei das eine belanglose Nebenwirkung. Aber ich würde es ihm schon zeigen.
    Ich nahm den Hörer ab. Jemand sagte: »Bleiben Sie bitte am Apparat, da ist ein Gespräch für Sie.«
    Ich hörte das Klicken, als Magnus sich einschaltete.
    »Zum Teufel mit dir«, sagte ich. »Dies ist das letzte Mal, daß ich für dich die dressierte Robbe spiele!«
    Ich hörte, wie an der anderen Seite jemand nach Luft schnappte und dann lachte. »Danke für den Willkommensgruß, Liebling.«
    Es war Vita. Ich stand wie betäubt, den Hörer in der Hand. War ihre Stimme auch eine Folge der Verwirrung?
    »Liebling«, wiederholte sie, »bist du noch da? Ist irgend etwas passiert?«
    »Nein«, sagte ich, »aber was ist mit dir? Von wo aus sprichst du denn?«
    »Vom Londoner Flugplatz«, antwortete sie. »Ich habe eine Maschine erwischt, die früher abflog, weiter nichts. Bill und Diana holen mich ab und gehen mit mir essen. Ich dachte, du würdest vielleicht später in der Wohnung anrufen und dich wundern, wenn ich mich nicht melde. Tut mir leid, wenn ich dich überrascht habe.«
    »Nun, das hast du allerdings«, sagte ich, »aber lassen wir das. Wie geht es dir?«
    »Gut«, sagte sie, »wirklich gut. Und dir? Für wen hieltest du mich, als du eben in die Muschel hineinredetest? Du schienst nicht gerade erfreut.«
    »Ich dachte, es sei Magnus. Ich mußte eine Arbeit für ihn tun … ich habe dir in meinem Brief davon geschrieben, den du erst morgen früh bekommst.«
    Sie lachte. Ich kannte diesen Unterton, der so viel bedeutete wie ›das habe ich mir gleich gedacht‹. »Also hat dein Professor dich wieder mal eingespannt«, sagte sie. »Das überrascht mich nicht. Aber was hast du denn für ihn tun müssen, daß du dir wie eine dressierte Robbe vorkamst?«
    »Ach so allerlei, zum Beispiel alte Akten ordnen; ich erzähle es dir, wenn du das bist. Wann kommen die Jungen?«
    »Morgen«, sagte sie. »Der Zug trifft schrecklich früh ein … Ich denke, ich packe sie gleich ins Auto und komme herunter. Wie lange dauert die Fahrt?«
    »Warte«, sagte ich, »das ist es eben. Ich kann euch noch nicht wiedersehen. Ich habe es dir in meinem Brief geschrieben. Laß uns bis nach dem Wochenende

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