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Ein Tropfen Zeit

Titel: Ein Tropfen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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wieder auf das Regal. Nun suchte ich einen alten Sack, den ich im Kesselraum gesehen hatte, öffnete auch die übrigen Gläser und Flaschen mit den Embryos und dem Affenkopf und tat alles zusammen in den Sack, nachdem ich die Flüssigkeiten ebenfalls in den Ausguß geschüttet hatte, wobei ich darauf achtete, daß nichts davon an meine Hände kam. Dasselbe tat ich mit den Pilzen. Es blieben nur zwei kleine Flaschen, Flasche A mit dem Rest der Droge, die ich benutzt hatte, und die unberührte Flasche C. Flasche B hatte ich Magnus geschickt, und sie lag jetzt leer in meinem Koffer. Beide Flaschen steckte ich in meine Tasche, ohne sie zu leeren. Dann trat ich an die Tür und horchte. Mrs. Collins ging zwischen Küche und Speisekammer hin und her.
    Ich schwang den Sack über die Schulter, schloß das Labor ab, schlich durch die Hintertür, kletterte in den Küchengarten hinter den Stallgebäuden und stieg von da in den Wald oberhalb von Kilmarth. Wo das Gestrüpp am dichtesten war, unter kraftlos wucherndem Lorbeer, Rhododendronbüschen, die seit Jahren nicht mehr geblüht hatten, abgebrochenen Zweigen toter Bäume, Brombeeren, Brennesseln und angefaulten Blättern suchte ich mir einen toten Zweig, kratzte ein Loch in die feuchte, modrige Erde und leerte den Sack hinein. Den Affenkopf zerschmetterte ich mit einem verwitterten Stein, so daß man ihn nicht mehr identifizieren konnte. Die Embryos glitten dazwischen, undefinierbare Gegenstände wie klebrige Eingeweide von Fischen, die man den Möwen vorwirft. Das Ganze deckte ich mit den faulen Blättern vieler Jahre, mit brauner Erde und einem Haufen Nesseln zu. Dabei kam mir der Satz ›Asche zu Asche, Staub zu Staub‹ in den Sinn, und mir war, als begrübe ich Magnus und sein gesamtes Lebenswerk.
    Danach kehrte ich durch das Kellergeschoß und über die kleine Seitentreppe ins Haus zurück und umging so Mrs. Collins, aber sie hörte mich wohl kommen, denn sie rief: »Sind Sie es, Sir?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Ich habe Sie überall gesucht und konnte Sie nicht finden. Der Inspektor aus Liskeard hat angerufen.«
    »Ich war im Garten«, erklärte ich. »Ich rufe zurück.«
    Ich ging ins Ankleidezimmer hinauf und legte die mit A und C etikettierten Flaschen zu der leeren Flasche B in meinem Koffer, schloß ihn ab, befestigte den Schlüssel an meinem Bund, wusch mir die Hände und ging in die Bibliothek. Dann rief ich das Polizeirevier von St. Austeil an.
    »Tut mir leid, Herr Inspektor«, sagte ich, als ich ihn an der Leitung hatte, »ich war im Garten, als Sie anriefen.«
    »Macht nichts, Mister Young. Ich dachte, Sie würden gern die neuesten Nachrichten erfahren. Nun, wir sind ein bißchen vorangekommen. Es scheint eindeutig erwiesen, daß ein Güterzug das Unglück verursacht hat. Er kam ungefähr zehn vor zehn durch den Tunnel. Der Lokomotivführer sah vor dem Tunnel niemand im Umkreis des Bahndamms, aber diese Güterzüge sind oft ziemlich lang, und dieser hatte hinten keinen Bremser, so daß niemand beobachten konnte, daß jemand auf die Schienen zuging und von den vorbeirollenden Waggons getroffen wurde.«
    »Das leuchtet mir ein«, sagte ich, »und Sie meinen, so sei es geschehen?«
    »Nun ja, alles läßt darauf schließen. Offenbar ist Professor Lane auf dem Pfad neben dem Trenadlyn-Hof weitergegangen, aber bevor er die Hauptstraße erreichte, bog er ab und hielt auf den Bahndamm zu. Wenn man durch den Drahtzaun kriecht und über eine Böschung hinaufklettert, gelangt man auf die Schienen, aber das Geräusch des Güterzuges ist dabei nicht zu überhören. Natürlich, es war dunkel, aber am Eingang des Tunnels befindet sich ein Signal, und ein Güterzug ist alles andere als leise, ganz abgesehen von der Dampfpfeife der Lokomotive, die routinemäßig betätigt wird, bevor der Zug in den Tunnel einfährt.«
    Ja, aber vor sechshundert Jahren gab es weder Signale noch Drahtzäune, Bahndämme oder Dampfpfeifen …
    »Sie wollen also sagen, man müßte blind oder stocktaub gewesen sein, um den Zug nicht im Tal heraufkommen zu hören, selbst aus der Ferne?«
    »Ja, Mister Young. Natürlich kann man neben dem Bahndamm stehen, wenn der Zug vorbeifährt – zu beiden Seiten der Schienen ist genug Platz –, und es scheint, daß Professor Lane dies tat. Wir fanden Spuren auf dem Boden, wo er ausglitt, und oben auf der Böschung, wo er sich bis zur Hütte schleppte.«
    Ich dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Könnte ich die Stelle wohl selbst

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