Ein tüchtiges Mädchen
tut mir aufrichtig leid. Grüßen Sie ihn von mir, und sagen Sie ihm, daß er in Ihnen einen ausgezeichneten Repräsentanten hat. An seiner Stelle würde ich Sie immer für derartige Reisen und Besprechungen verwenden. Das werde ich ihm übrigens bei nächster Gelegenheit sagen.“
Gerd lachte.
„Das ist mir bestimmt nicht unangenehm.“
„Sie sprechen ein sehr gutes Deutsch.“
„Ja, Deutsch und Englisch sind sozusagen meine Spezialitäten!“
„Myrseth kann sich glücklich preisen. Aber lassen Sie sich einen guten Rat geben. Hängen Sie Ihrem Vornamen in Deutschland ein „a“ an, sonst kann es zu peinlichen Mißverständnissen führen.“
„Ich werde Ihrem Rat folgen, Herr Direktor.“
„So – nun wird es aber höchste Zeit! Also, suchen Sie morgen früh meinen Bürochef auf, besprechen Sie auch eingehend die Lieferzeiten und Lieferungsmethoden, nicht wahr? Wir wollen die Partie gern baldmöglichst abstoßen. Und mit Bezug auf Frachtgelegenheiten…“
„Bin im Bilde, Herr Direktor. Ich habe mir alles notiert.“
„Sieh mal an! Und dabei ist der Chef krank.“
„Ach, das habe ich von mir aus untersucht.“
„Meine Güte, was für eine Arbeit für ein junges Mädchen!“
„Das ist eine sehr vergnügliche Arbeit, unterhaltsam und interessant. Ich hätte nie gedacht, daß eine so prosaische Sache wie Bauholz eine so abwechslungsreiche Tätigkeit bedeuten könnte.“
Durch den Lautsprecher wurden die Passagiere nach New York zum Ausgang gerufen.
Gerd begleitete Direktor Busch durch die Halle.
„Ich wünsche Ihnen eine angenehme gute Reise, Herr Direktor.“
„Danke, liebes Kind. Es war wirklich sehr nett, Sie zu treffen. Ich hoffe, es ist nicht das letztemal.“
„Darf ich Sie noch etwas fragen, Herr Direktor?“
„Aber selbstverständlich.“
„Haben Sie Ibsens ,Brand’ gelesen?“
„Ibsens ,Brand’? Gewiß. Sowohl gelesen als auch gesehen.“
„Aber dann sollten Sie eigentlich wissen, daß Gerd ein Frauenname ist, Herr Direktor“, sagte Gerd und lachte über das ganze Gesicht.
Und dieses frohe Jungmädchengesicht war das letzte, was Direktor Busch sah, bevor er zum Flugzeug ging.
Er nahm Platz, schnallte sich fest und lächelte.
Er hatte einen ungewöhnlich sympathischen Eindruck von Skandinavien bekommen.
„Jetzt!“ sagte Gerd.
„Jetzt – was?“ Helge Jerven blickte auf.
„Jetzt will ich endlich was zu essen haben. Ich bin so hungrig, daß ich einen ganzen Ochsen verschlingen könnte.“
„Man kann also gratulieren?“
„Man kann! Mehr noch können Sie meiner Firma gratulieren. Halt - ! Ich muß noch ein Telegramm absenden und einen eingeschriebenen Brief. Aber nachher muß ich unbedingt was essen.“
Gerds Finger zitterten, als sie das Telegramm schrieb.
„Vertrag unterzeichnet. Stop. Übernachtete Aalborg wegen Nebels. Stop. Traf Busch Kopenhagen.
Stop. Fliege Hamburg Besprechung mit Bürochef auf Buschs Rat. Stop. Vertrag folgt Einschreibebrief. Gruß Elstö.“
„So“, seufzte Gerd befreit. „Nun aber her mit dem Essen!“
4
„Ist es indiskret zu fragen, ob Sie in Hamburg viel zu tun haben werden?“ fragte Helge Jerven. „Wenn nicht, wer geht dort mit Ihnen aus und zeigt Ihnen die Stadt? Mit anderen Worten, wenn Sie absolut nichts Besseres vorhaben, darf dann ich meine Dienste…“
„Aber Sie müssen doch nach Kiel.“
„Nicht vor Montag. Ich reiste so zeitig, um drei Tage für Hamburg zu haben. Und ich würde es schrecklich nett finden, wenn Sie…“
„Aber gewiß.“ Gerd fühlte mit Erschrecken, daß sie rot wurde. „Ich muß nur vor allem morgen um 9 Uhr zu einer Besprechung.“
„Aber heute abend?“
„Heute abend? – Ja – ich weiß nicht…“
„Aber ich weiß. Wo werden Sie wohnen?“
„Im Hotel Reichshof.“
„Ausgezeichnet. Habe ich Glück, so ist auch für mich noch ein Winkel frei. Aber eins sage ich Ihnen: Fangen Sie mich heute nacht wieder im Korridor ab, dann werde ich mich nicht mit Ihnen über Andenkenläden unterhalten.“
„Und ich beabsichtige nicht, mich heute nacht über irgend etwas zu unterhalten, darauf können Sie sich verlassen. Ich habe vor, zwölf Stunden hintereinander zu schlafen und im Bett zu frühstücken.“
„Sehr vernünftig! Kann ich Ihren Zucker haben?“
„Bitte.“
Sie saßen Seite an Seite im Flugzeug, das sie in 35 Minuten nach Hamburg brachte. Soeben hatten sie ihre Tabletts mit dem Kaffee bekommen, und Helges Zucker war bereits aufgebraucht.
Gerd genoß
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