Ein tüchtiges Mädchen
Österdalen, bald in Nordland, dann folgte eine rasche Tour nach Schweden. Die wenigen Tage, die er daheim zubrachte, saß er an seinem Schreibtisch im Büro des Vaters. Aber es war ganz offenkundig: Er war ein Freiluftmensch und litt unter der sitzenden Lebensweise in einem Büro. Der Direktor hatte seine Arbeit wiederaufgenommen. Er ging mit einem Stock und ließ sich zum Büro und wieder nach Hause fahren, aber hielt den vollen Arbeitstag durch.
Die gleichmäßige rhythmische Melodie der Arbeit klang durch die Geschäftsräume von Myrseth und Sohn. Die vier oder fünf Menschen hatten, trotz ungleicher Eigenschaften und Voraussetzungen, doch dies gemeinsam, daß sie sich alle nach Kräften anstrengten, um der Firma zu dienen und sie neuen Erfolgen entgegenzuführen.
„Bitten Sie die Büroleiterin zu mir“, sagte der Direktor zum jungen Throndsen, als dieser die unterschriebenen Briefe holte.
Es war schon spät, kurz vor Büroschluß.
Gerd kam. Der Direktor betrachtete sie anerkennend. Sie sah so nett und adrett aus in dem dunkelgrauen Kostüm und der blendend weißen Bluse. Gerade so sollte eine Dame in gehobener Bürostellung aussehen: geschmackvoll, einfach, korrekt, mit einem kleinen Anflug von jener Würde, die mit der Stellung verbunden war.
„Setzen Sie sich bitte, Fräulein Elstö.“
Gerd tat es.
„Hören Sie mal, ich habe Ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen.“
„Aber wieso, Herr Direktor?“
„Doch! Sie sind dünn wie ein Faden. So möchte ich Sie um keinen Preis Ihrer Mutter vorzeigen. Es ist mir plötzlich erschreckend klargeworden, daß ich Sie tatsächlich um die Hälfte Ihrer Ferien betrogen habe.“
„Dafür durfte ich doch aber die Tour nach Hamburg machen.“
„Durfte ist gut. Na, was ich sagen wollte: Ich wünsche, daß Sie sich eine Woche freinehmen, ordentlich und viel essen und sich erholen.“
„Kommt gar nicht in Frage, Herr Direktor! Vielleicht im Winter, aber gerade jetzt, wo wir soviel zu tun haben?“
„Junge Dame, sind Sie es oder ich, der hier zu bestimmen hat?“
„Herr Direktor, ich weiß gut, wer im Büro zu bestimmen hat, aber über mich selbst bestimme ich.“
„Himmel, was für ein Dickkopf! Sie sollten Klapse kriegen, wahrhaftig! Hören Sie, Kind, jetzt mal ganz ernsthaft: Ich fühle so etwas wie Verantwortung Ihnen gegenüber, verstehen Sie. Und ich kann gut beurteilen, welche Arbeit Sie hier leisten. Aber schön, ich will Ihnen auf halbem Weg entgegenkommen: Ich möchte, daß Sie Ferien machen, und Sie wollen für die Firma arbeiten. Wenn wir das nun kombinierten?“
„Ja, wenn sich das machen läßt.“
„Da sind doch diese Kisten mit den Maschinenteilen, Sie wissen ja. Ach, das habe ich Ihnen noch gar nicht gesagt: Gestern erhielt ich in meiner Wohnung ein Ferngespräch. Es geht also in Ordnung mit der Fracht. Wir bekommen einen kleinen Zwölfhunderttonner, der den ganzen Kram nach Newcastle bringt. Wenn Sie also die See mögen und nicht seekrank werden…“
„Ich liebe die See“, warf Gerd ein.
„Schön! Dann hätten Sie vielleicht Lust mitzufahren? Es ist eine gute Kajüte an Bord, eigentlich die des Reeders, aber er hat sicher nicht den Ehrgeiz, eine Tour mit Maschinenteilen nach Newcastle zu machen. Dagegen täte es Ihnen gut, mal eine Woche wegzukommen. In Newcastle könnten Sie dann wohl so gut sein, unseren dortigen Geschäftsfreund aufzusuchen und sich ein bißchen mit ihm zu unterhalten? Sie wissen selbst am besten, wie wichtig es in unserem Beruf ist, mit den Kunden in direkten Kontakt zu kommen.“
Natürlich, das wußte Gerd.
„Also machen wir es so? Das Schiff lädt Montag in Kristiansand und geht Montag abend in See. Also, ab Montag Ferien, und lassen Sie sich an diesem Tag nicht mehr sehen! Da sollen Sie packen und zum Friseur gehen und – Gott allein weiß, was ihr Frauenzimmer euch alles vor einer Reise noch vornehmt. Und Montag abend dann mit Ihnen an Bord des Luxusschiffes ,Babette’ von Kristiansand.“
„Ba-ba-babette?“
„Ja, allerdings, Babababette. Komischer Name für ein Schiff. Es ist Langedals Reederei, die diese -ette-Namen hat.“
„Ich weiß“, murmelte Gerd. „Ich – ich las neulich in der Zeitung, daß sie nun ein neues Schiff haben, ein neues Langedalsschiff meine ich, und das hieß wohl ,Dorette’.“
„Ach, ist er jetzt bei D angelangt? Ja, das ist ein Mann mit Initiative. Er kommt noch bis Yvette, ehe wir uns umsehen. Himmel, wie blaß Sie sind, Kind, und Sie behaupten, Sie
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