Ein tüchtiges Mädchen
Kapitän auf der ,Babette’ bist, anstelle des Ersten auf der ,Dorette’, das ist doch viel überraschender, als daß ich hier als Passagier hereinschneie.“
„Gar nicht so merkwürdig, wie du glaubst. Ich wußte, daß ich an der Reihe war aufzurücken, ahnte aber nicht, daß es so rasch gehen würde. Meine Karriere auf der ,Dorette’ war sehr kurz. Als wir nach Norwegen kamen, erfuhr ich, daß der Kapitän der ,Babette’ krank geworden war, und ich mußte einspringen. Es gab so viel zu ordnen und zu bestimmen, daß ich mich nicht um den Namen des Passagiers kümmerte, der mit uns fahren sollte. Es wurde auch nur so im Vorbeigehen erwähnt, und ich sagte wohl so was wie ,Also, Erster, den müssen Sie übernehmen’, und dann dachte ich nicht mehr daran. Aber du, Gerd, wie in aller Welt erscheinst du hier auf der Bildfläche?“
„Auf Verlangen meines Chefs mußte ich Ferien machen, und er richtete es so ein, daß ich mit der ,Babette’ fahren konnte. Ihr habt nämlich eine Ladung Kisten für uns, und da konnte man mich als Begleitperson mitschicken.“
„Ach, das sind wohl die für Newcastle? Steht ihr denn als Absender darauf?“
„Das weiß ich, offen gestanden, nicht. Der Chef hat dieses Geschäft persönlich abgeschlossen. Vielleicht steht die Kistenfabrik als Absender. Myrseth ist ja nur ein Zwischenglied, weißt du. Dieses Geschäft wurde abgeschlossen, als ich in Hamburg war.“
Plötzlich wurde Gerd rot. Helge lächelte.
„Das waren ein paar ganz reizende Tage, Gerd.“
„Ja, sehr nett“, bestätigte sie.
„Du mußt essen, Gerd. Wir reden und vergessen zu essen. – Versuch diese Salami, die ist gut.“
„Danke.“
Es war nicht weit her mit ihrem Appetit. Gerd aß sehr langsam, und ihre Gedanken arbeiteten. Warum hatte Helge in der Zwischenzeit nichts von sich hören lassen? Warum hatte er nicht den kleinsten Versuch gemacht, mit ihr in Verbindung zu treten?
Aber Gerd gehörte nicht zu denen, die gern fragen.
„Und jetzt fahren wir nun also zusammen nach England, Gerd! Es gibt sicher nicht viele Menschen, die zwei Auslandstouren zusammen machen, ehe sie…“ Er schwieg plötzlich.
„Ehe sie?“ wiederholte Gerd.
„Ich meine, die Bekanntschaft dadurch einleiten, daß sie gemeinsam Auslandsreisen machen. Willst du wirklich nichts mehr essen, Gerd? Du pickst ja wie ein Spatz. In Kopenhagen hattest du viel besseren Appetit.“
„Ach, der kommt schon noch. Bekanntlich zehrt doch die Seeluft?“
„Na ja, wollen es hoffen. Kommst du mit auf die Brücke?“
„Wenn ich darf, gern. Ich dachte, die Brücke ist das Allerheiligste an Bord und für Passagiere streng verboten?“
Helge lachte.
„Wenn die Passagiere nur in der Einzahl vorhanden sind, nimmt man es nicht so genau. Außerdem gibt es ja auch da Unterschiede. Der Kapitän ist glücklicherweise in der Lage, bestimmen zu können, wen er als Gast auf der Brücke haben will. Komm nur, aber zieh einen Mantel an, es ist kühl draußen.“
Gerd gehorchte. In ihrer Kabine blieb sie einen Augenblick stehen und preßte die Hände zusammen. Herrgott, wie ihr Herz schlug! Sie verstand sich selbst nicht. Sie war so glücklich, so unsagbar glücklich, und trotzdem war sie den Tränen nahe; sie konnten jeden Augenblick losbrechen. Denn inmitten des Glücksgefühls drängte sich die ungelöste Frage auf: Bin ich für ihn bloß eine nette Reisebekanntschaft? Aber kann ich ihm denn mehr bedeuten, da er doch nichts von sich hören ließ? Hätte er mir wohl geschrieben, wenn wir uns jetzt nicht zufällig getroffen hätten?
Dann versuchte sie, diese Gedanken abzuschütteln. Sie zog sich ihren molligen Teddymantel an und trat auf den Gang hinaus.
Helge wartete schon.
„Hast du es behaglich in deiner Kabine? Zufrieden?“
„Sehr zufrieden. Es ist eine schöne, geräumige Kabine.“
„Hat der Messejunge daran gedacht…?“ Helge warf einen prüfenden Blick in die Kabine. „Na, gut, daß er soviel Grips im Schädel hat, dir Obst hinzustellen. Aber was ist denn das? Da haben wir ja – “ Mit ein paar Schritten ging er zum Nachttisch und nahm die Katze Dorette in die Hand.
„Bist also auch mitgekommen, Pussy!“ lachte er, und sein Blick flog von der Katze zu Gerd.
Sie wurde rot und biß sich auf die Lippen.
„Ja – die sollte doch mein Maskottchen sein.“
„Ach ja, selbstverständlich. Trotzdem bin ich gerührt, daß du sie mitschleppst.“
„Man sollte sie jetzt wohl lieber Babette nennen?“
„Ach wo, laß sie nur
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